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Dorothea Susanna Herzogin von Sachsen-Weimar

Bekennende und verurteilende Fürstin im Streit um das Erbe Luthers

Ein Beitrag von Daniel Gehrt

Dorothea Susanna Herzogin von Sachsen-Weimar Copyright: Forschungsbibliothek Gotha, Theol. 8° 30/3, Vorderspiegel

Lebensdaten:

1544 - 1592

Unter weiteren Namen bekannt als:

Dorothea Susanna von der Pfalz, Dorothea Susanna Herzogin von Sachsen


Beziehungen

Dorothea Susanna kam am 15. November 1544 in der pfälzischen Residenzstadt Simmern zur Welt. Sie war das sechste von elf Kindern, die dem Pfälzer Wittelsbacher Ehepaar Friedrich (1515-1576) und Maria (1519-1567), Tochter von Markgraf Kasimir von Brandenburg-Kulmbach, geboren wurden. Ihr Vater, der nach seinem Regierungsantritt 1559 als Kurfürst von der Pfalz unter den mächtigsten Fürsten im Reich rangierte, etablierte als Erster eine reformierte Landeskirche in einem deutschen Territorium. Dieser Konfessionswechsel vom Luthertum zur calvinistisch geprägten Lehrnorm, liturgischen Praxis und Kirchenzucht wurde durch die Einführung des Heidelberger Katechismus 1563 besiegelt. Diese Wende vollzog sich erst später im Leben der Kinder, so dass einige wie zum Beispiel Dorothea Susanna, ihr Bruder Ludwig (1539-1583) und ihr Schwester Elisabeth (1540-1594) dem Luthertum zugewandt blieben, während ihr Bruder Johann Casimir (1543-1592) bekanntlich die reformierte Konfession annahm. Die verschiedenen konfessionellen Orientierungen innerhalb der Familie führten zu mehreren Konflikten zum Beispiel über Fragen der Patenschaft und Erziehung der Kinder sowie der territorialübergreifenden Religionspolitik. Dennoch fand Dorothea Susanna Rückhalt bei ihrem Vater beispielsweise bei Verhandlungen über ihre Lebensbedingungen als Witwe.

Am 15. Juni 1560 heiratete die 15-jährige Pfalzgräfin in die sächsisch-ernestinische Dynastie ein. Ihr 30-jähriger Bräutigam, Herzog Johann Wilhelm (1530-1573), war der zweitälteste Sohn von Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen (1503-1554) und Sibylle von Kleve (1512-1554). Der Vater hatte 1547 im Schmalkaldischen Krieg die sächsische Kurwürde und die Kurlande um Wittenberg an die albertinische Dynastie verloren. Sein Territorium wurde weitgehend auf die thüringischen und fränkischen Herrschaftsgebiete und somit auf ungefähr ein Drittel seiner vorherigen Größe reduziert. Diese traumatisierend wirkende Katastrophe wurde zum wichtigen Moment für die streng an Luther orientierte Konfessionspolitik der Dynastie in den folgenden Jahrzehnten, denn Aktivitäten in diesem Bereich wurden auch zum Mittel, um politische Verluste zu kompensieren. Bezeichnend dafür ist, dass der überwiegende Teil der von den Ernestinern geförderten theologischen Polemik gegen Philipp Melanchthon (1497-1560) und andere innerkonfessionelle Rivalen im Kursachsen gerichtet war. Dabei standen ebenfalls die Albertiner Moritz (1521-1553) und August von Sachsen (1526-1586) unter Kritik. Auf diese Art und Weise stilisierten sich die Ernestiner zu Schutzherren des wahren Luthertums. Diese dynastische Position machte sich Dorothea Susanna rasch zu Eigen.

Bei der Brautwahl ging es den Ernestinern nicht zuletzt um ihren Rang im Reich. Der ältere Bruder von Johann Wilhelm, Herzog Johann Friedrich II. (1529-1595), heiratete zunächst Agnes von Hessen (1527-1555), die Witwe von Moritz von Sachsen, der im Schmalkaldischen Krieg die Kurwürde erlangt hatte. Nach Agnes’ Tod heiratete der Ernestiner 1558 die Schwester Dorothea Susannas, Elisabeth, deren Vater Friedrich Aussichten auf die pfälzische Kurwürde hatte. Johann Wilhelm hatte vergeblich um die Hand der Königin Elizabeth von England (1533-1603) geworben. Während Johann Friedrich II. 1560 alte Heiratspläne für den jüngeren Bruder mit der polnischen Krone wieder aufnehmen wollte, verlobte sich jener selbst ohne Wissen seiner beiden Brüder mit Dorothea Susanna. Dies spricht dafür, dass nicht nur politischer Kalkül, sondern auch gegenseitige Zuneigung die beiden zusammenbrachte. Dementsprechend änderte Dorothea Susanna ihren Wahlspruch nach dem Tod ihres Gemahls 1573 von „Gott Sei Mein Trost“ zu „Ich Weiß, Dass Mein Erlöser Lebt“, da die Initialen auch folgendermaßen aufgelöst werden können: „Johann Wilhelm, DaS (ist) Meine Einzige Liebe“. Die Ehe brachte vier Kinder hervor, wobei eine Tochter im Kindesalter starb. Hunderte von Briefen zwischen Dorothea Susanna und Johann Wilhelm sind in der Forschungsbibliothek Gotha überliefert, die Aufschluss über das Eheleben geben könnten, aber bisher nicht ausgewertet worden sind.

Nach fast 13 Ehejahren änderte sich das Leben Herzogin Dorothea Susannas radikal. Nach dem Tod ihres Gemahls am 2. März 1573 übernahm Kurfürst August von Sachsen entgegen dem Testament des Ernestiners die Vormundschaft im Herzogtum Sachsen-Weimar. Aufgrund der vehementen Rivalität mit seinem verstorbenen Vetter Johann Wilhelm nahm er einen umfassenden Personalwechsel am Weimarer Hof, an der Universität Jena, in der Landeskirche und in den Schulen vor. Im gesamten ernestinischen Territorium wurden trotz des Widerstandes der Herzogin und zahlreicher anderer Personen rund 150 Professoren, Prediger und Schullehrer entlassen. Als verwitwete Fürstin ohne Regentschaftsansprüche bemühte sie sich diese Veränderungen rückgängig zu machen. Entscheidend war zunächst, verhindern zu können, dass sie auf ihr Wittum in Dornburg und Camburg abgeschoben wurde. Es gelang ihr, Weimar, wo sie mehr Einflussmöglichkeiten hatte, zu ihrer dauerhaften Residenz zu machen. Sie ließ sich dort einen repräsentativen Wohnsitz, das sogenannte Rote Schloss (heute Studienzentrum der Herzogin Anna Amalie Bibliothek Weimar) zwischen 1574 und 1576 erbauen.

Um Konfessionspolitik im größeren Stil zu betreiben, war sie auf einen Beraterkreis angewiesen, der ihr Ideen und Argumente lieferte und seinen Einfluss für sie verwendete. Aufgrund der Entlassungswelle 1573 standen der Herzogin nahezu alle vertrauten Berater nicht mehr unmittelbar vor Ort zur Verfügung. Von den wichtigsten Beratern blieben nur noch Johann Ratzeberger (1531-1586) und Caspar Melissander (1540-1591) am Witwenhof. Ratzeberger war herzoglicher Leibarzt, fungierte aber zusätzlich als kirchenpolitischer Ratgeber. Im Auftrag der Herzogin informierte er ihre theologischen und juristischen Berater über die aktuelle Lage im Herzogtum Sachsen-Weimar und holte von ihnen Gutachten ein.

Obgleich Caspar Melissander seine Kompetenz als Prinzenerzieher nicht weiter wahrnehmen durfte, verlängerte die Herzogin seinen Dienstvertrag. Auf diese Weise unterhielt sie ihn finanziell, bis er sein Amt als Prinzenerzieher wieder ausüben konnte. 1574 und 1575 reiste Melissander häufig in verschiedene protestantische Städte und an mehrere Höfe, um Gutachten einzuholen, Gespräche zu führen und andere Aufträge der Herzogin zu erfüllen.

Im Gegensatz zu Melissander waren die beiden anderen vertrautesten theologischen Berater der Herzogin, Bartholomäus Gernhard (1525-1600) und Bartholomäus Rosinus (1520-1586), des Landes verwiesen worden. Letzterer wurde 1574 vom Regensburger Magistrat als Superintendent berufen, während Gernhard Asyl im benachbarten reußischen Gebiet fand. Von der Stadt Gera aus wirkte Gerhard als Agent der Herzogin in vielfältigen Angelegenheiten. Er war vor allem für die Kontaktpflege mit den entlassenen Predigern und Lehrern sowie für deren Unterstützung zuständig.

Zu den wichtigsten politischen Beratern der Herzogin gehörten ihre Rechtsvormünder: die beiden Oberwittumsvormünder, ihr Bruder Pfalzgraf Ludwig von der Pfalz und Graf Georg Ernst von Henneberg (1511-1583), und ihr Unterwittumsvormund, der Jurist Johann Roßbeck († 1581). Ludwig hielt die von Dorothea Susanna herausgestellten Differenzen zwischen den ernestinischen und albertinischen Lehrnormen größtenteils für übertrieben. Aus diesem Grund befürwortete er nur eingeschränkt die Politik seiner Schwester, da diese häufig zur direkten Konfrontation mit dem mächtigen sächsischen Kurfürsten führte. Nach dem Tod seines Vaters Friedrich III. am 26. Oktober 1576 wurde Ludwig neben den beiden anderen weltlichen Kurfürsten in Sachsen und Brandenburg zum Vormund seiner Neffen.

Graf Georg Ernst von Henneberg teilte Ludwigs kritische Haltung gegenüber dem politischen Handeln der Herzogin. Er hatte ebenfalls einige konfliktfördernde Aspekte der Konfessionspolitik ihres Gemahls missbilligt, obgleich Johann Wilhelm häufig den Henneberger um Rat ersuchte. Entscheidend für den Ernestiner, Georg Ernst zum Wittums­vormund seiner Gemahlin zu ernennen, war, dass dieser eine genuin lutherische Theologie förderte. Darüber hinaus hatte sich der Graf bereits als tatkräftiger Rechtsschützer gezeigt, als seine 1567 gestorbene Schwester Gräfin Katharina von Schwarzburg (1509-1567) 1564 und 1565 beim Rudolstädter Wucherstreit in Konflikt mit Graf Günther XLI. von Schwarzburg (1529-1583) über die geistliche Jurisdiktion in ihrem Witwensitz geriet. Ebenso energisch setzte sich der Henneberger für die Rechte Dorothea Susannas bei ihren Konflikten mit Kurfürst August ein. 

Johann Roßbeck gehörte seit Anfang der 1570er Jahre zu den bedeutendsten Juristen am Hof von Johann Wilhelm. Nach seiner Entlassung 1573 wurde Roßbeck Syndikus der Stadt Braunschweig. Die Herzogin sandte ihm regelmäßig Abschriften von Briefen und Akten über aktuelle Rechtsstreite und kirchenpolitische Angelegenheiten zur Begutachtung. Ebenso wie bei den Oberwittumsvormündern stieß die Konfessionspolitik Dorothea Susannas bei Roßbeck gelegentlich auf eine kritische Haltung. Volle Zustimmung für ihr Vorgehen fand sie nur bei den theologischen Beratern, da sie auch ihre rechtlichen und politischen Auseinandersetzungen mit Kurfürst August stets als theologische und bekenntnisfordernde Konflikte deutete. Dementsprechend agierte sie häufig mit wenig Rücksicht auf die eventuellen politischen Folgen.

Die Herzogin besaß auch zu ihrer Patin, der Witwe Kurfürst Friedrichs II. von der Pfalz und Tochter König Christians von Dänemark, Dorothea (1520-1580), eine besonders vertraute Beziehung. Dorothea Susanna war auf dem Witwensitz der Patin in der oberpfälzischen Stadt Neumarkt erzogen worden. Sie wurde ebenso wie diese früh mit dem Witwendasein konfrontiert und sah in ihr ein Vorbild der Standhaftigkeit in konfessionellen Auseinandersetzungen.

Schließlich erhielt Dorothea Susanna erhebliche Unterstützung von Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel (1528-1589), zu dem auch ihr Gemahl in enger politischer Beziehung gestanden hatte. Julius hatte mehrere entlassene Jenaer Professoren in seinem Territorium aufgenommen. Die Herzogin wandte sich in den folgenden Jahren vertraulich an Julius, als sie ein eigenes Glaubensbekenntnis erstellen lassen wollte und Vermittlung zwischen Kurfürst August und sich selbst suchte. Durch den Wolfenbütteler Herzog verstärkte sich der Kontakt zwischen Dorothea Susanna und dem Braunschweiger Superintendenten Martin Chemnitz (1522-1586), der eine wichtige Rolle bei der Entstehung ihres Glaubensbekenntnisses spielte und ihre Konfessionspolitik förderte.

Nachdem Herzogin Dorothea Susanna im Zusammenhang mit der Entstehung und Durchsetzung der lutherischen Konkordienformel von 1577 mehrere ihrer konfessionspolitischen Ziele erreicht hatte, verringert sich die überlieferte Korrespondenz mit diesen und anderen Fürsten, Juristen und Theologen deutlich, wobei zahlreiche Briefe und Dokumente auch aus späteren Jahren noch vorhanden sind. Das letzte Jahrzehnt ihres Lebens, das am 8. April 1592 in Weimar endete, bleibt bis auf weitere Forschungen im Dunklen.

Wirkungsbereich

Da die Forschung über Herzogin Dorothea Susanna erst in ihren Anfängen steckt, kann an dieser Stelle nur ein Teil ihrer Wirkungsbereiche vorgestellt werden. Die bereits vorliegenden Studien konzentrieren sich auf ihr konfessionspolitisches Engagement in den ersten Jahren ihrer Witwenzeit. Während sie als Ehefrau vermutlich relativ wenig Einfluss auf die Religionspolitik ausgeübt hatte, schaffte sie sich als Witwe mehrere Möglichkeiten der politischen Gestaltung. Dafür waren jedoch die rechtlichen und politischen Vorbedingungen nicht optimal, da sie nicht den Status einer Regentin genoss und Kurfürst August sich energisch bemühte, sie als Einflussfaktor auszuschalten. Briefe und Dokumente über diese spannende und konfliktreiche Zeit sind im Nachlass der Herzogin in der Forschungsbibliothek Gotha reichlich überliefert.

Eine zentrale Aufgabe, die sich Dorothea Susanna zu Eigen machte, war die Gestaltung und Pflege der Erinnerung an ihren Gemahl, der aufgrund seiner Konfessionspolitik von vielen protestantischen Reichständen politisch isoliert worden war. Auch wegen des umfassenden Personalwechsels unter Kurfürst August 1573 war es für sie wichtig, den Ruf ihres verstorbenen Ehemanns und der ernestinischen Landeskirche zu rehabilitieren. So entstanden Konflikte über die Inschrift für das Epitaph Herzog Johann Wilhelms in der Weimarer Stadtkirche. Die Herzogin sorgte für die Drucklegung und Verbreitung der Leichenpredigten und -reden auf ihren Gemahl. Diese konnten nach der Übernahme der Vormundschaft durch Kurfürst August aufgrund der darin enthaltenen antialbertinischen Kritik nicht in der Universitäts- und Druckstadt Jena publiziert, sondern ernst anderthalb Jahre nach dem Tod des Herzogs in Regensburg, wo ihr Berater Bartholomäus Rosinus wirkte, gedruckt werden.

Die Gestaltung und Pflege der Memoria stand in enger Verbindung zur Erziehung ihrer Kinder, denn nach den Ansichten der Herzogin sollten sich ihre Söhne später als regierende Fürsten am väterlichen Vorbild orientieren. Kurfürst August hatte aber, um eben dies zu verhindern, den elfjährigen ernestinischen Prinzen Friedrich Wilhelm (1562-1602) aus der Obhut seiner Mutter nehmen lassen. In dieser Ausnahmesituation fand die Herzogin jedoch Mittel, weiteren Einfluss auf die Ausprägung des konfessionell-dynastischen Bewusstseins ihres Sohns auszuüben. Neben Korrespondenz, vertraulicher Kommunikation über Personen im unmittelbaren Umfeld des Prinzen und der Diskreditierung des von ihr nicht bewilligten Präzeptors gewannen Bücher als Medien der weiteren Einflussnahme in ihrer erzwungenen Trennung erheblich an Bedeutung. Sie schenkte ausgewählte Bücher, gab neue Schriften speziell für ihre Kinder in Auftrag, ließ besondere Sammelbände erstellen und veranlasste, dass ihre Kinder Widmungsempfänger bestimmter Schriften von stark symbolischem Charakter wurden.

Im Mittelpunkt der Konfessionspolitik der Herzogin stand die angestrebte Rückkehr der 1573 entlassenen ernestinischen Prediger und Lehrer. Mit diesem Aufgabenbereich war vor allem ihr ehemaliger Hofprediger Bartholomäus Gernhard betraut. Zu diesem Zweck erstellte Gernhard Namens- und Amtslisten und aktualisierte sie bei Neuanstellungen der Entlassenen in anderen Städten und Territorien oder bei Ableben. Dabei verschaffte er sich einen Überblick über diejenigen, die finanzieller Unterstützung oder Vermittlungshilfe bedurften. Im Auftrag der Herzogin organisierte Gernhard 1574 zwei reichsweite Spendenaktionen, bei denen ehemalige ernestinische Prediger in existenzieller Not Almosen ausgeteilt bekamen.

Im Herbst 1574 begannen Herzogin Dorothea Susanna und ihre Berater eine umfassende Bekenntnisschrift zu konzipieren. Das konkrete Ziel dieses Projekts war es, Bartholomäus Gernhard als Hofprediger wieder nach Weimar berufen zu dürfen. Es ging aber um viel mehr. Es sollte auch dazu dienen, die Vorbildfunktion der Fürstin für ihre Kinder zu erhöhen und die streng an Luther orientierte Konfessionspolitik ihrer Dynastie auf Landes- und überterritorialer Ebene während der Vormundschaft Kurfürst Augusts von Sachsen zwischen 1573 und 1586 fortzuführen. Das von Caspar Melissander verfasste Glaubenbekenntnis fand nach der Überarbeitung mehrerer Entwürfe seine endgültige Fassung Mitte 1575. In diesem 60 Folio-Seiten umfassenden Werk, das ausschließlich handschriftlich verbreitet wurde, positionierte sich die Herzogin zu sechs innerlutherischen Kontroversen in Thesen und Antithesen. Behandelt wurden die Fragen bezüglich des freien Willens (mit Exkurs auf die Erbsünde), der Rechtfertigung, guter Werke, der Beziehung zwischen Gesetz und Evangelium, Adiaphora (Mitteldinge) und des Abendmahls. Dabei wurden vermeintliche Ansichten von albertinischen Theologen widerlegt und verurteilt. Von der Vollendung des Werks 1575 bis zum Lebensende der Herzogin 1592 approbierten mehr als 80 Personen, meist Theologen und Prediger, ihr Bekenntnis durch kurze Stellungnahmen und eigenhändige Unterschriften, so dass es an Höfen und in Städten im Elsass, in Baden, Württemberg, der Oberpfalz, Sachsen, Thüringen, Niedersachsen und Mecklenburg bekannt wurde. Das Original mit den Unterschriften befindet sich heute in der Forschungsbibliothek Gotha unter der Signatur Theol. 2° 304/1 (1).

Dass eine Frau eine Bekenntnisschrift in solchem Umfang und mit solcher Raffinesse unter ihrem Namen erstellen ließ, ist im 16. Jahrhundert einmalig. Die Singularität dieses Phänomens ist auf die genderspezifischen Normvorstellungen der damaligen Gesellschaft zurückzuführen, die die öffentliche Beteiligung an theologischen Debatten als eine männliche Domäne designierten. Charakteristisch ist das Handeln der Herzogin allerdings für ihre Generation und insbesondere für die Dynastie, in die sie eingeheiratet hatte. Denn ihr Schwiegervater, ihr Schwager und ihr Gemahl hatten alle theologische Bekenntnisse in unterschiedlichen Formen in ihren Namen erstellen und publik machen lassen.

Infolge von Annährungen zwischen den Albertinern und Ernestinern durch den Sturz des Philippismus 1574 in Kursachsen und die innerlutherischen Konkordienbemühungen unter der Federführung von Jakob Andreae (1528-1590) gelang es Herzogin Dorothea Susanna, beginnend mit Bartholomäus Gernhard Ende 1576, einem Teil der 1573 entlassenen Prediger neue Stellen im Herzogtum zu vermitteln.

Weitere Rollen, die Herzogin Dorothea Susanna zum Beispiel als Ehefrau, Mitgestalterin des höfischen Lebens in Weimar, als Sammlerin von Büchern und medizinischen Rezepten, als Erbauerin des Roten Schlosses und als Vermittlerin zwischen ihren Söhne und deren künftigen Ehefrauen spielte, sind noch zu erforschen.

(Kupferstich aus dem 17. Jahrhundert mit dem Bildnis von Dorothea Susanna Herzogin von Sachsen-Weimar; copyright: Stadtarchiv/Stadtbibliothek Trier [Signatur: Anon 298]; Bildnis ist zu finden auf Tripota - Trierer Porträtdatenbank [www.tripota.uni-trier.de])

Reformatorische Impulse

Die Reformation führte bekanntlich nicht nur zu einer Zweispaltung des Christentums. Neben dem Luthertum entstand eine zweite Konfessionskirche: der Calvinismus bzw. das Reformiertentum. Hinzu kamen nicht nur eine Vielzahl radikalerer Strömungen, sondern auch akute Differenzen innerhalb der Konfessionen. Infolge des Todes Luthers 1546 und des Versuchs des Kaisers, anhand des sogenannten Augsburger Interims von 1548 eine modifizierte Form des Katholizismus in den protestantischen Städten und Territorien des Reichs durchzusetzen, erlebte das Luthertum eine schwere Identitäts- und Autoritätskrise. Dabei entstanden mehrere innerkonfessionelle Lehrkonflikte über die zentralen Fragen der Rechtfertigung des Menschen vor Gott und zu den Sakramenten. Dabei bildeten sich zwei Hauptströmungen aus, die in der protestantischen Theologie- und Kirchengeschichtsschreibung als „Gnesiolutheraner“ und „Philippisten“ bezeichnet werden. Erstere gelten als treue Schüler Luthers, die sich besonders für die Bewahrung von dessen theologischem Erbe engagierten. Die Philippisten hingegen orientierten sich stärker an Philipp Melanchthon. Nur vor diesem Hintergrund ist das Glaubensbekenntnis und die gesamte Konfessionspolitik der streng lutherischen Fürstin Dorothea Susanna zu verstehen. Diese Krise betraf insbesondere die zweite Generation der Reformation. Bei ihrem älteren Sohn Friedrich Wilhelm hingegen, der zwischen 1586 und 1602 als Herzog von Sachsen-Weimar und zwischen 1591 und 1601 gleichzeitig als kursächsischer Administrator regierte, wird erkennbar, dass durch die innerlutherische Konsensgrundlage des Konkordienbuches von 1580 das Bedürfnis entfiel, sich über die Verurteilungen innerkonfessioneller Differenzen zu profilieren. Während der Kuradministration verlor auch die Rivalität mit den Albertinern, die die Konfessionspolitik der Ernestiner jahrzehntelang dynamisiert hatte, ihre Brisanz.

Infolge der Reformation entstanden mehrere Bekenntnisschriften, die die theologischen Positionen einer bestimmten Glaubensgemeinschaft zum Teil in Abgrenzung gegenüber anderen schriftlich fixierten. Dabei handelte es sich, mindestens von Anspruch und Intention her, vor allem um überregionale Konsensgrundlagen. Dass Herzogin Dorothea Susanna ein umfangreiches Glaubensbekenntnis erstellen ließ, das durch seinen Aufbau und Inhalt an die damals in Entstehung begriffene Konkordienformel von 1577 erinnert, aber in erster Linie als privates Bekenntnis galt, war außergewöhnlich. Kurfürst August konnte deshalb bei der Ablehnung des Glaubensbekenntnisses argumentieren, dass sich die Herzogin entgegen den gesellschaftlichen Normen für Frauen an öffentlichen theologischen Diskussionen beteilige. Um diesem erwarteten Einwand vorbeugen zu können, hatte sie die Endfassung anders als die ersten Entwürfe nicht an ein allgemeines Publikum, sondern an Kurfürst August direkt in der Form eines privaten Briefes gerichtet. Sie betonte in allen Entwürfen, dass sie lediglich als Christin eine schlichte Stellungnahme zu verschiedenen Glaubensfragen vorlege, die jeder Zehnjährige genauso leicht wie Luthers Katechismus begreifen könne. Die Herzogin rechtfertigte ihr Bekenntnis, indem sie auch auf Bedingungen und Werte verwies, die sie zur Erstellung ihrer Schrift bewegten. Die Lage erfordere eine öffentliche Darlegung des Glaubens und der Konflikt mit Kurfürst August sei eine Ehrenangelegenheit, wie sie im einleitenden Teil des Bekenntnisses schrieb: „Wir achtens dafür, das einem jeden Christen nicht alleine Ehren, Sondern auch Gewissens halben zu verantwortten gebüren wolle, so ihme ichtwas böses wieder seinen christlichen namen vnd sonderlichen in der Religion zur vnschult vfgelegt vnd nachgesagt wirdet, Das auch in Glaubenssachen vnd in fellen der Bekentnüs, bei Gott kein ansehen der Person oder vnterschiedt der Geschlechte der Menschen, vnd eine Weibs- so wol als eine Mannes-Person ihr Bekenntnüs vnd Glaubenn so offt vnd wo es die notturfft zu thuen schuldig vnd verbunden sei, [...]“ ablegen sollte.

Kommentar

Die Konfessionspolitik Herzogin Dorothea Susannas wurde durch ihre Glaubensüberzeugung und die Verpflichtung gegenüber ihrem verstorbenen Gemahl motiviert. So stellte sie ihr Handeln immer wieder als Testamentsvollstreckung dar. Dass sie ebenso wie ihr Gemahl die öffentliche Verurteilung bestimmter theologischer Ansichten innerhalb der lutherischen Konfession anstrebte, stieß schon damals bei der Mehrheit der Protestanten auf Missfallen. Dorothea Susanna ließ sich aber nicht beirren, hielt den Status quo nicht für unabänderlich und setzte sich energisch mit einer unermüdlichen Hartnäckigkeit für ihre Ziele ein. Ihre benachteiligte Position im Konflikt mit Kurfürst August machte sie erfinderisch. Dass sie so viele von ihren anfangs so aussichtslos erscheinenden Zielen durch verschiedene Mittel erreichen konnte, macht sie zu einer faszinierenden Persönlichkeit. 

Zum Weiterlesen

I. Dingel: Dorothea Susanna von Sachsen-Weimar (1544-1592) im Spannungsfeld von Konfession und Politik. Ernestinisches und albertinisches Sachsen im Ringen um Glaube und Macht, in: E. Bünz/S. Rhein/G. Wartenberg (Hg.), Glaube und Macht. Theologie, Politik und Kunst im Jahrhundert der Reformation (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt 5), Leipzig 2005, 175-192.

D. Gehrt: Die religiöse Erziehung Herzog Friedrich Wilhelms von Sachsen-Weimar im Spiegel seiner Bibliothek, in: Zeitschrift für Thüringische Geschichte 67 (2013), 75-115.

D. Gehrt: „Zum besseren vnd gründtlicheren verstandt des Catchismi Lutheri“. Das „Kleine Corpus Doctrinae“ des Matthäus Judex, in: G. Huber-Rebenich (Hg.), Lehren und Lernen im Zeitalter der Reformation (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 68), Tübingen 2012, 149-199.

D. Gehrt: Ernestinische Konfessionspolitik. Bekenntnisbildung, Herrschaftskonsolidierung und dynastische Identitätsstiftung vom Augsburger Interim 1548 bis zur Konkordienformel 1577 (Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte 34), Leipzig 2011, 436-525.

D. Gehrt/V. von der Osten-Sacken (Hrsg.): Fürstinnen und Konfession. Beiträge hochadliger Frauen zur Religionspolitik und Bekenntnisbildung, Göttingen 2015.

K. Paasch (Hg.): „Mit Lust und Liebe singen“. Die Reformation und ihre Lieder, Gotha 2012, 31-33, 100.

K. Paasch (Hg.): „… so über die massen sauber in rothen Leder eingebunden“. Bucheinbände aus der Forschungsbibliothek Gotha. Katalog zur Ausstellung der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha im Spiegelsaal der Forschungsbibliothek Gotha auf Schloss Friedenstein 27. August bis 16. September 2010, Gotha 2010, 58-67.

Der umfangreiche Nachlass der Herzogin ist in der Forschungsbibliothek Gotha weitgehend erschlossen und die einzelnen Schriftstücke in der HANS-Datenbank recherchierbar unter: http://hans.uni-erfurt.de/