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Anna von Frimburg

Eine Frau der Bibel

Ein Beitrag von Eva Melmuková und Žofie Vobrová

Anna von Frimburg

Lebensdaten:

um 1370 - nach 1450

Unter weiteren Namen bekannt als:

Anna z Frymburka


Beziehungen

(zum Bild: Detail aus einem Holzschnitt - Jan Huss predigt in der Bethlehem-Kapelle: Reproduktion eines Holzschniíttes aus dem Werk von Ulrich Hutten: Processus consistorialis martirii Jo.Hus...1525.)

Anna von Frimburg gehörte zum Kreis der reformatorisch gesinnten Christinnen und Christen in der Prager Bethlehem-Kapelle. Die Reformation in den Böhmischen Ländern (vom geographischen Gesichtspunkt gesehen) oder die tschechische Reformation (wenn man die Sprache erwähnt, in der sie in die Öffentlichkeit durchgedrungen ist) hat schon am Anfang des 15. Jahrhunderts begonnen. Sie ist mit dem Namen des Magisters Jan (Johannes) Hus und mit seiner berühmtesten und bekanntesten Wirkungsstätte – der Bethlehem-Kapelle in Prag – verbunden. Es handelte sich in diesem Fall nicht um eine Kirche mit der gewöhnlichen Anordnung, sondern eher um einen weiträumigen Vortragssaal, der ausschließlich für Predigtzwecke genutzt wurde. Dieser Saal hatte keine Rechte der Pfarrkirchen, man nannte ihn also „Kapelle“. Sein Name „Bethlehem“ (Haus des Brotes) sollte ausdrücken, dass die Öffentlichkeit und die gläubigen Christen dort die Erfrischung durch das Brot der heiligen Predigt finden können. Die Bethlehem-Kanzel bestieg Johannes Hus zum ersten Mal am 15. März 1402 und wirkte hier bis zu seinem erzwungenen Abgang im Februar 1413. Seine Zuhörerinnen und Zuhörer aus allen Schichten der Bevölkerung bildeten eine immer mehr vereinigte Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern, die die biblische Sendung angenommen hat und sie nun ins Leben rufen wollten.

Die Ehefrau des königlichen Münzmeisters Petr Zmrzlík ze Svojšína (Peter Zmrzlik von Svojšín) Anna von Frimburg repräsentierte, neben der Königin Sophie, wahrscheinlich die prominenteste Dame aus dem Kreis der Zuhörerinnen in der Bethlehem-Kapelle.

Aber sie war nicht nur eine Zuhörerin, sondern auch eine Mitarbeiterin von Magister Johannes Hus. Als solche findet sie auch in den letzten Briefen des Märtyrers, die vor seinem Feuertod in Konstanz geschrieben wurden, Erwähnung.

Ihr Ehemann Peter Zmrzlik von Svojšín und sie, Anna von Frimburg, bildeten nicht nur eine reine Zweckgemeinschaft, sondern beide verband die gleiche Vision eines gemeinschaftlich geteilten Lebensweges: Christliche Existenz als praktisches Handeln in der Welt zu leben, das war ihr gemeinsames Ziel.

In den Hus-Briefen aus Konstanz sind die Eheleute immer gemeinsam erwähnt.

Auch in Anna’s offizielle Beziehungen im öffentlichen Leben agierte sie als überzeugte Christin. Als Ehefrau eines Repräsentanten des politischen sowie gesellschaftlichen Lebens im Königreich Böhmen kam sie in Kontakt mit Menschen in höchsten gesellschaftlichen Positionen. Dabei spielte ihre christliche Überzeugung immer eine wichtige Rolle. Sogar dem König Václav IV. (Wenzel IV) hat sie manchmal Ratschläge erteilt – sehr zum Ärger ihrer Feinde, die sagten: Der König sollte nicht so viel die Ratschläge der Zmrzliks-Ehefrau hören, sondern die offiziellen Politiker respektieren.

Wirkungsbereich

In den Jahren 1409–1414 haben die Eheleute Peter und Anna die erste tschechische Bibel in drei Bänden herausgegeben. Es handelt sich um eine prächtig dekorierte Schmuckbibel. Diese so genannte litoměřicko-třeboňská bible (Leitmeritzer-Wittingauer Bibel), auch Zmrzlík-Bibel genannt, wurde nach einer alten Vorlage vom Schreiber Mathias von Prag kopiert. Zu erwähnen ist, dass diese Bibel handschriftliche Anmerkungen enthielt. An einigen Stellen fand sich der Hinweis: „so Hus“. Dies gibt Grund zu der Annahme, dass in dieser Bibel sich direkt eingeholte Hus-Anschauungen aufgrund von konkreten kontextuellen Zusammenhängen widerspiegeln.

Anna von Frimburg und ihr Ehemann unterstützten gemeinsam Jan Hus. Das praktische Verständnis der christlichen Gegenseitigkeit beider Eheleute zeigte sich besonders zur Zeit der Vorladung des Johannes Hus zum Konzil in Konstanz. Damals haben sie ganz selbstverständlich ihre eigenen finanziellen Mittel für die Deckung der Kosten der Hus-Reise zur Verfügung gestellt. Dabei handelte es sich um eine beachtliche Summe, weil den ehemaligen Bethlehem-Prediger eine größere Gruppe von Freunden begleitete. Nach seiner Verhaftung blieb die Gruppe viel länger als zuerst absehbar in Konstanz. Doch dies war dringend geboten, waren es doch diese Weggefährten die Jan Hus in der Zeit seiner Verhaftung menschlichen Beistand leisteten und zugleich als Vermittler des Kontaktes mit den Brüdern und Schwestern in Böhmen agierten. Eine Reihe von Briefen, die Hus aus dem Gefängnis den Freunden schrieb, ist bis heute bewahrt. In diesen Briefen sind auch die Namen der Anna von Frimburg und ihres Ehemannes zu finden. Im Brief für Petr (Peter) von Mladoňovice, der den ganzen Verlauf des Aufenthaltes in Konstanz handschriftlich festgehalten hat, schreibt Hus Ende Juni 1415: „Falls der Herr Jan(Anm. Autorinnen: Hus meinte Johannes von Chlum, der mit ihm wirklich bis zum Ende ohne Rücksicht auf die Gefahr und ökonomische Verluste blieb) beschädigt würde durch das Verweilen mit mir (Anm. Autorinnen: Hus meinte finanziell), sorge, Peter,nach der Heimkehr, bei dem Münzmeister und seiner Frau, die mit dem Mut zugesagt haben …“.

Auch im letzten Brief an die Freunden vom 5. Juli 1415, am Vorabend der Hinrichtung durch den Feuertod auf dem Scheiterhaufen, erwähnt Hus noch einmal die Personen, die ihm auf seinem Leidensweg beistanden – darunter auch Anna und Peter: „Gott mit euch! Er möge euch die ewige Vergeltung geben für das Gut, das ihr mir getan habt. Noch für mich, wenn auch wahrscheinlich schon toten im Leib, sorgt dafür, daß Herr Johann, der treue und mutige Ritter und mein Wohltäter, nicht beschädigt wird, ich bitte um Gottes Willen, mein lieber Herr Peter Münzmeister und Frau Anna. Ich bitte auch, lebt gut und dem Gott den Gehorsam leistet, wie ihr es gehört habt.“

Anna von Frimburg hat mit ihrem Ehemann auch die eigenen drei Söhne Petr (Peter), Jan (Johannes) und Václav (Wenceslaus) in dem Geist der Gemeinde der Betlehem-Kapelle erzogen.

Zum letztenmal hört man von Anna im Jahre 1450. Damals hat sie‚ schon Witwe, ein Dokument der Anhänger des „Hussitischen Königs“ Jiří z Poděbrad (Georg von Poděbrady) gemeinsam mit ihren zwei Söhnen unterschrieben.

Reformatorische Impulse

Hier sind zum einen die reformatorische Ideen zu nennen, die Anna von Frimburg selbst beeinflusst haben: die Bibel, das allgemeine Priestertum der Glaubenden und die in Gal 5,6 ausgesprochene Überzeugung eines Glaubens, der durch die Liebe tätig ist. Zum anderen sind die reformatorische Impulse, die sie selbst gegeben hat, zu erwähnen: Ihr praktisches Christinsein in der Welt ist ein Weg die biblische Botschaft in ihren lebensbestimmenden Auswirkungen wahrzunehmen – für sich selbst und auch für die anderen. Durch ihren persönlichen Lebensweg hat Anna glaubhaft aufgezeigt, dass aus dem Glauben ein aktiver Einsatz des eigenen Lebens in der Welt die Konsequenz ist.

Kommentar

Anna von Frimburg hat trotz ihrer gesellschaftlichen Einflussmöglichkeiten diese nie missbraucht, sondern ganz in den Dienst eines christlichen Lebens gestellt. In ihrer Ehe hat sie in beachtenswerter Weise eine gleichberechtigte Beziehung geführt, die von gegenseitigem Verständnis geprägt war. Sie hat sich selbst als eine Glaubende aufgehoben in der gleichrangigen christlichen Gemeinschaft ohne Privilegierung aufgrund ihrer gesellschaftliche Position verstanden.

Zum Weiterlesen

A. Císařová-Kolářová: Posluchačky v Kapli betlémské, Prag 1947.

J. Dachsel: Jan Hus, ein Bild seines Lebens und Wirkens. Seine Briefe vom Herbst 1414 bis zu Juni 1515, ins Deutsche übersetzt im Zusammenarbeit mit František Potměšil, Berlin 1964.

J. Hus: Briefe des Johann Hus: geschrieben zu Konstanz 1414-15 / nach dem böhmischen Urtext herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von Ferdinand B. Mikovec, Leipzig 1849.

J. Klassen: Woman and Religious Reform in Late Mediaval Bohemia, in: G. Parfitt/ J. Hamish Reid (Hgg.), Renaissance and Reformation, Nottingham 1979, 203-221.

T. Krzenck: Sophie von Wittelsbach – Eine Böhmenkönigin im Spätmittelalter in: G. Beyreuther/B. Pätzold/E. Uitz (Hgg.), Fürstinnen und Städterinnen, Freiburg i.Br./Basel/Wien 1993, 65-87.

V. Kyas: Die alttschechische Bibelübersetzung des 14. Jahrhundert und ihre Entwicklung im 15. Jahrhundert, in: R. Olesch/H. Rothe (Hgg.), Kuttenberger Bibel / Kutnohorská bible bei Martin von Tišnov, Paderborn u.a. 1989, 9-32.

Litoměricko-třeboňská bible (Leitmeritzer-Wittingauer Bibel) online unter:   http://digi.ceskearchivy.cz (aufgerufen am 21.5.2013)

F. Šmahel: Die hussitische Revolution I-III (MGH-Schriften 43/I-III), Hannover 2002.

Eine Materialsammlung im Internet ist hier zu finden:

http://www.frauenundreformation2017.at/sites/default/files/tschechien.pdf