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Katharina von Zimmern

Flüchtling – Äbtissin – Ehefrau – Witwe

Ein Beitrag von Irene Gysel

Katharina von Zimmern

Lebensdaten:

1478 - 1547

Unter weiteren Namen bekannt als:

Katharina Äbtissin von Zürich, Katharina von Reischach


Beziehungen

Katharina von Zimmern, geboren 1478 in Messkirch, stammte aus einer kinderreichen süddeutschen Adelsfamilie, sie war das vierte Mädchen und bekam noch vier Brüder und zwei Schwestern. Der Vater, ein begabter und hochgebildeter Freiherr, der die Jagd liebte und mehrere Musikinstrumente beherrschte, stand im Dienst des Herzogs Sigmund von Tirol. Als Katharina 10 Jahre alt war, fiel er durch Intrigen bei Kaiser Friedrich III in Ungnade und musste mit seiner Familie fliehen. Katharina erlebte eine abenteuerliche Flucht mit ihrer Mutter und einigen Geschwistern nach Weesen an den Walensee. Mit großer Wahrscheinlichkeit traf sie dort den ebenfalls musikalisch außerordentlich begabten 6-jährigen Ulrich Zwingli, der seinem Onkel, dem Ortspfarrer, in Obhut gegeben worden war. Katharinas Vater bemühte sich, sie und ihre ältere Schwester in der Abtei Fraumünster in Zürich unterzubringen, welche adeligen Frauen vorbehalten war. Er bekam Unterstützung von Albrecht von Bonstetten, dem humanistisch gebildeten Dekan des Klosters Einsiedeln, der über beste Beziehungen verfügte und in manchen diplomatischen Geschäften unterwegs war. Die beiden Schwestern traten 1491 ein und wurden 1494 eingekleidet. Die Übergabe des Ordensgewandes war ein feierlicher Akt.

Es gab jedoch Hinweise, dass in der Abtei sittlich bedenkliche Zustände herrschten und die jungen Mädchen von Geistlichen belästigt wurden. Daraufhin mussten die Mädchen für kurze Zeit nach Weesen zurück. Das Fraumünster galt noch als Benediktinerinnenabtei, doch lebten die Damen wie in einem freien Stift.

1496 wurde Katharina, 18-jährig, nach einem heftigen Wahlkampf, zur Äbtissin geweiht.

Sie stand nun als junge Frau einem großen Haushalt vor, den man heute als Unternehmen bezeichnen würde. Weitreichende Ländereien – bis weit in die heutige Innerschweiz hinein – mit vielen Untertanen waren ihr anvertraut. Wohl wurde die Abtei von erfahrenen Leuten verwaltet, aber die Hauptverantwortung lag bei der Äbtissin. Sie hatte das Recht, allein für das Stift zu handeln, Güter zu kaufen und zu verkaufen. Bei ihr lag noch das alte Begnadigungsrecht der Stadt und das Recht, den Schultheißen zu wählen. Zu ihrem engeren Kreis gehörten die wenigen Stiftsdamen und die sieben Chorherren.

Katharina von Zimmern sanierte die Finanzen der Abtei, versuchte, das alte umfassende Münzrecht der Stadt zurückzugewinnen und entfaltete eine rege Bautätigkeit. Für einen neuen Ölberg und die Ausmalung der Dreikönigskapelle engagierte sie berühmte Künstler. Sie veranlasste den Neubau des Abteigebäudes, das bis 1898 bestand. Zwei seiner wunderschönen, mit Flachschnitzfriesen kunstvoll geschmückten Stuben, in denen die Äbtissin Audienz hielt, wurden 1892 im Schweizerischen Landesmuseum eingebaut und sind heute dort zu besichtigen. Die Sprüche, die sie in die Deckenfriese einschnitzen ließ, lassen auf eine gute Portion Humor schließen. Heute würde man sie als Kunstmäzenin bezeichnen. Leider ist die Devise „WWVWW“ über ihrer Türe bis heute ungedeutet.

 

(Zum Bild: Fachschnitzerei, Wappen und Motto von Katharina von Zimmern; Copyright: Landesmuseum Zürich [SLM Raum 18. Fraumünsterabtei ZH. 1507; DIG-1761])

Während ihrer 28-jährigen Amtszeit als Äbtissin wurde Katharina von Zimmern in den Ratsakten der Stadt nur ganz selten genannt, da ihre Amtsführung zu keinen Klagen Anlass gab. Im Unterschied zu ihren Vorgängerinnen führte sie die Abtei erfolgreich und mit Takt und Diskretion. Bis 1503 traten vier junge Frauen in den Konvent ein, damit erhöhte sich ihre Zahl auf sieben. Zur Abtei gehörte auch eine Schule, die unter Katharina neu gebaut wurde.

Obwohl die Äbtissinnen im Spätmittelalter den politischen Einfluss weitgehend verloren hatten, war Katharina von Zimmern nominell immer noch Stadtherrin von Zürich und damit die erste Repräsentantin. Hohe Gäste der Stadt wurden zuerst von ihr begrüßt.

Wirkungsbereich

Zürich war damals eine Hochburg der Humanisten. Die Chorherren am Zürcher Großmünster versammelten einen Kreis hochgebildeter Humanisten um sich. Leo Jud, ab 1523 Leutpriester an der Nachbarkirche St. Peter, übersetzte sämtliche Schriften von Erasmus und machte sie für die Schulen zugänglich. Zürcher Schüler lernten mit den Schriften des Erasmus. Katharina ließ Oswald Myconius, einen engen Freund Zwinglis, an der Fraumünsterschule Latein unterrichten.

Im Januar 1519, Katharina von Zimmern war bereits seit 23 Jahren im Amt, wurde Ulrich Zwingli Leutpriester am Großmünster, der Probstei auf der anderen Seite der Limmat. Zwingli begann mit brisanten Predigten das Evangelium in den Mittelpunkt zu stellen und die Bibel ins Deutsche zu übersetzen. Wie sich die Äbtissin dazu stellte, ist nicht schriftlich erhalten. Jedoch schrieb Zwingli über sie: „Sie gehört zur Partei Christi und brächte es nicht fertig, mir etwas abzuschlagen.“ Sie ließ ihn jeden Freitag im Fraumünster predigen. Freitag war Markttag. Somit trafen sich vor der Kirche die Bauern und Händler aus der umliegenden Landschaft. Sie besuchten den Gottesdienst im Fraumünster und wurden so mit der Botschaft der Reformation vertraut. Damit hat Katharina von Zimmern mehr zur Reformation beigetragen, als ihr gemeinhin zuerkannt wird.

Die Stadt war bald in zwei Lager geteilt, beide Seiten bemühten sich um die Äbtissin. Sowohl der Verteidiger des alten Glaubens, Doktor Johannes Eck, als auch verschiedene Reformatoren widmeten ihr ihre Streitschriften persönlich. Vor 15 Jahren hat das Auktionshaus Sotheby’s ein Buch angeboten, das aus ihrem Besitz stammen muss: es enthält neun reformatorische Schriften, alle in den Jahren 1522-1524 gedruckt. Eine Predigt Zwinglis und eine der beiden im Buch abgedruckten Lutherschriften tragen eine persönliche Widmung an die Äbtissin. Das Buch wurde in jenen Jahren gebunden, sodass anzunehmen ist, Katharina persönlich habe die Schriften gesammelt und binden lassen.

Ab 1523 überstürzten sich die Ereignisse in der Stadt. Nach den Disputationen im Rathaus wurden die Kirchen ausgeräumt, der Großteil der Heiligenfiguren wurde in der Wasserkirche eingelagert. Es gab keine Prozessionen mehr, die Fastengebote waren aufgehoben. Im benachbarten Kloster der Dominikanerinnen brach ein erbitterter Streit aus und als der Rat der Stadt die Erlaubnis gab, verließen viele Frauen das Kloster. Die vier bis 1522 noch im Fraumünster verbliebenen Konventfrauen wurden angesichts der fortschreitenden Reformation von ihren Familien nach Hause geholt oder verließen die Abtei auf eigenen Wunsch. Katharina verblieb mit ihrer Gehilfin allein im Kloster. Ohne klösterliche Gemeinschaft und inmitten einer reformierten Stadt war es aber unmöglich, ein den benediktinischen Vorschriften entsprechendes Leben zu führen.

Am 8. Dezember 1524, am Tag von Maria Empfängnis, übergab sie die Abtei der Stadt. Zwei Dokumente bezeugen diesen schwerwiegenden Akt: Die Verzichtserklärung vom 30. November und die Übergabeurkunde vom 8. Dezember. Von der Verzichtserklärung nimmt man an, es sei das Protokoll eines Treffens mit Bürgermeister und Rat. Die Übergabeurkunde, auf Pergament ausgefertigt, mit der Katharina von Zimmern die Übergabe der Abtei mit allen Gütern und Rechten an die Stadt beglaubigte, scheint von ihr selber formuliert zu sein.

Darin wird deutlich, dass sie die politischen Umstände und das Zeitgeschehen richtig einschätzte, jedoch betonte, dass sie frei und selbstbestimmt einen Gewissensentscheid fällte. Sie habe die Ehre und das Lob Gottes zu Herzen genommen, wie denn jeder Christenmensch in nicht zweifelnder Hoffnung versuchen solle, die göttliche Ordnung zu vollbringen.

Sie hätte die Hilfe ihrer katholisch gebliebenen Familie, des Bischofs von Konstanz oder der Eidgenossen anfordern können. Doch das hätte, wie sie betonte, der Stadt Zürich Unfrieden und Unglück gebracht. Das wollte sie nicht.

Wenige Tage nach ihrer Verzichtserklärung löste die Stadt alle anderen Klöster auf und übernahm deren Güter. Das war erst möglich geworden, nachdem die Äbtissin das Fraumünster übergeben hatte. Damit machte sie die friedliche materielle Umsetzung der Reformation in der Stadt Zürich möglich. Im darauffolgenden Frühjahr wurde die Messe abgeschafft, Zwingli feierte das erste evangelische Abendmahl mit der Großmünstergemeinde am Gründonnerstag 1525.

Katharina von Zimmern war nun 46 Jahre alt. Ihre Familie, die unterdessen wieder im Schloss  zu Messkirch wohnen konnte, hatte mit ihr gebrochen. Sie wurde aber ins Bürgerrecht der Stadt Zürich aufgenommen, behielt das Wohnrecht in der Abtei und erhielt von der Stadt eine angemessene Rente, die ihr pünktlich ausbezahlt wurde. Sie hätte sich nun hier zur Ruhe setzen können.

Aber Katharina begann nochmals ein neues Leben. Einige Monate nach der Übergabe der Abtei, der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt, heiratete sie Eberhard von Reischach und gebar trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn, der allerdings früh verstarb. Wie war das möglich? Fachärzte meinen, Erstgeburten in diesem Alter ließen sich zu jener Zeit kaum denken. Hatte sie doch schon während ihrer Zeit im Kloster ein Kind geboren? Es gibt dafür eine allerdings sehr vage Spur. Ihr Sammelband reformatorischer Schriften mit den persönlichen Widmungen trägt den handschriftlichen Eintrag des Besitzers von 1555: Sebastian Uriel Appenzeller, St. Gallen. Er besaß demnach acht Jahre nach Katharinas Tod das wertvolle Buch. Woher hatte er es? Gemäß Amerbachkorrespondenz war er der Ehemann einer Regula mit unbekanntem Nachnamen, die aber, so wird aus verschiedenen Briefen und aus den Wappen Reischach und Grafen von Zimmern eines Epitaphs geschlossen, womöglich eine Tochter der Äbtissin Katharina von Zimmern war, geboren in den ersten Jahren des Jahrhunderts. Eberhard von Reischach könnte gemäß den Wappen bereits der Vater dieser Tochter gewesen sein. Die Annahme ist jedoch zugegebenermaßen unsicher, es wird auch eine Adoption erwogen. Sicher ist, dass diese junge Frau und ihre Zukunft Katharina von Zimmern außerordentlich am Herzen lag. Zwingli schildert in einem Brief an Vadian die große Sorge Katharinas um sie. Dies ist neben den amtlichen Dokumenten ein rares Zeugnis über die Äbtissin und wirft ein Licht auf ihre Gefühlswelt. Wenn Zwingli außerdem schreibt, es gebe viele, die vertrauter seien mit ihr als er, weist das auch auf eine nicht nur lose Verbindung zu Zwingli selbst hin. Sie war eine starke Frau, entscheidungsfreudig, aber auch empathisch, die ihre Umgebung gestaltete, die Kontakte pflegte und auch als Vorsteherin einer Benediktinerabtei mitten im Leben stand. Wer jedoch Regula war, wird wohl für immer eine Geheimnis bleiben.

Eberhard von Reischach war in Zürich eine bekannte Persönlichkeit. Er stammte aus einer verarmten Adelsfamilie aus dem Hegau, war 15 Jahre älter als Katharina, und stand in den Diensten des Herzogs von Württemberg. Als Söldnerführer hatte er im Schwabenkrieg 1499 auf der Seite Zürichs gekämpft und damit um 1500 das Bürgerrecht der Stadt erworben. Wenig später heiratete er Verena Göldli, Tochter aus einem einflussreichen Zürcher Bürgergeschlecht, und hatte mit ihr vier Kinder. Er übernahm diplomatische Missionen als Unterhändler bei den Eidgenossen und dem König von Frankreich. Später bemühte er sich vor allem, Söldner für den Herzog anzuwerben. Damit handelte er gegen das Verbot der Reisläuferei in Zürich. Eberhard von Reischach wurde 1519 in Zürich zum Tod verurteilt, sein Besitz wurde konfisziert. Das heißt, dass er die Stadt unter keinen Umständen mehr betreten durfte.

Wie haben die beiden zueinander gefunden? Wie sich verabredet? Der unterdessen verwitwete Reischach wohnte nach seiner Verurteilung in Schaffhausen, Katharina zog zu ihm. Zwei Jahre später übersiedelten sie nach Diessenhofen. Dort stand eine der wenigen Brücken über den Rhein, die es erlaubte, Söldner schnell zu verschieben.

1529 wurde in Zürich eine kriegerische Auseinandersetzung mit den altgläubigen Innerschweizern immer wahrscheinlicher. Zürich brauchte kriegserfahrene Hauptleute. Reischach wurde begnadigt und wieder in den Dienst der Stadt aufgenommen. Die Familie kehrte zurück. 1531 fiel Eberhard in der Schlacht bei Kappel. Katharina war nun Witwe. Sie lebte noch während 17 Jahren in Zürich, sie kaufte 1537 ein Haus an der Oberdorfstrasse und später das Haus zum Mohrenkopf am Neumarkt 13, wo heute eine Tafel an sie erinnert.

Zürich bot nach der Niederlage in Kappel ein jammervolles Bild. Ein Großteil der einflussreichen Männer war gefallen, man hatte Angst vor einem Einfall der Eidgenossen. Zusammen mit Zwinglis Ehefrau Anna Reinhart wurde Katharina in die Gesellschaft zur Constaffel aufgenommen. Sie war weiterhin hoch geachtet, wurde als Frau von Reischach oder in den Rechnungsbüchern der Stadt einfach weiterhin als „Eptissin“ aufgeführt. In den Taufbüchern wird sie viermal als Taufpatin genannt. Ihre Tochter Anna heiratete Heinrich von Mandach, der das Nachbarhaus am Neumarkt besaß.

Am 17. August 1547 starb Katharina von Zimmern. Lange Zeit war das Todesdatum nicht bekannt, obwohl es in einer Anfügung im Ratsbuch der Stadt aufgeführt war. Niemand hatte es beachtet.

Reformatorische Impulse

Es ist schwierig zu beurteilen, ob Katharina von Zimmern reformatorische Impulse gegeben hat. Dass sie Zwingli an den Markttagen im Fraumünster predigen ließ, deutet darauf hin, dass sie die Reformation aktiv unterstützte. Mit der Übergabe der Abtei an die Stadt hat sie ein Blutvergießen verhindert. In der Übergabeurkunde bezeugt sie, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt hat. Sie enthält sich jedoch auch da jeglicher Polemik und formuliert differenziert, handelt aber klar und entschieden. Als Witwe bleibt sie in der Stadt und nimmt aktiv teil am reformierten kirchlichen Leben.

Kommentar

Eine Frau wiederzuentdecken ist eine spannende Sache. Angefangen hat es damit, dass der Kirchenrat der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich anlässlich der Dekade „Solidarität der Kirche mit den Frauen“ des Ökumenischen Rates eine Arbeitsgruppe einsetzte. Die sieben Frauen, präsidiert von Jeanne Pestalozzi-Racine, wollten 1998 als Abschluss ihrer Arbeit den vielen Männer-Denkmälern in der Stadt Zürich das Denkmal einer Frau gegenübersetzen. Die Wahl fiel auf die letzte Äbtissin des Fraumünsters. Man wusste von ihr nur gerade, dass sie die Abtei der Stadt übergeben hatte. Um mehr über sie zu erfahren, sollte ein Buch entstehen.

Die Historiker und Theologen gaben der Sache wenig Chancen. Aus der Reformationszeit gebe es kaum Neues zu entdecken, jeder Buchstabe sei doppelt gekehrt und gewendet. Das erwies sich wieder einmal als falsch. Frauengeschichten müssen oft aus Nebensätzen und aus Fußnoten herausgefiltert werden, die niemand beachtet hatte, schon gar nicht gekehrt und gewendet. Sogar Katharinas Todesdatum in den Anmerkungen des Ratsbuches war bisher übersehen worden.

Verschiedene Autorinnen und ein Autor konnten gewonnen werden, die Historikerin Barbara Helbling, die leider 2012 verstorben ist, und die Verfasserin dieses Artikels gaben die Monografie zusammen heraus. Sie konnten vor allem auf die ausführlichen Forschungen von Roswith Günter aus Rottweil zurückgreifen, die nach ihrer Pensionierung als Rektorin aus verwandtschaftlichen Gründen Interesse an der von Zimmern-Tochter hatte. Der erste angefragte Verlag meinte, es würde sich kaum jemand für das Buch interessieren und schlug vor, 500 Exemplare zu drucken, war aber froh, dass schließlich der NZZ Verlag den Auftrag übernahm. Es kam dann zu vier Auflagen und zu mehr als 4000 verkauften Büchern. Das war für Zürich ein Bestseller. Das Buch ist heute vergriffen, einzelne Exemplare sind noch bei der Autorin zu haben.

Die Frage, die vor allem interessiert, inwiefern Katharina von Zimmern selber reformatorisch dachte, konnte nur annähernd beantwortet werden. Die Lebensgeschichte dieser starken Frau ist eindrücklich. Sie lebte in einer Zeit großen Umbruchs, ähnlich wie wir sie heute wieder erleben. Inszenierung und Materialisierung des Religiösen, erweiterter Zugang zum Wissen, Auseinanderfallen von arm und reich etc. Katharina ist offenbar sich selber geblieben, hat sich in einer angespannten Situation zu einem folgenreichen Entscheid durchgerungen und die Konsequenzen getragen. Eigentlich gäbe die Geschichte Stoff für einen Roman. Immerhin haben wir den Satz Zwinglis, dass sie zur Partei Christi gehöre, wir haben ihren Sammelband reformatorischer Schriften und die eindrückliche Übergabeurkunde. Dass in Zürich die materielle Umsetzung der Reformation friedlich verlief, ist allein ihr zu verdanken.

Katharina von Zimmern hat auf Amt und Würden verzichtet. Sie war nun Frau von Reischach.  Wenn heute Historiker diesen Namen lesen, wissen sie kaum, wer sich dahinter verbirgt. Damit wurde sie ein Stück weit unsichtbar. War sie noch jemand? Wenigstens in Zürich blieb sie die Äbtissin.

Es war ein Verzicht und damit stellt sich die grundsätzliche Frage, wie viel die Frauen im Ganzen durch die Reformation verloren haben. Sicher haben sie auch gewonnen, vor allem wenn man bedenkt, wie sie die Position der Pfarrfrau prägen konnten. Aber sie verloren die umfassende Bildungsmöglichkeit, die die Klöster angeboten hatten und sie verloren die Möglichkeit ein eheloses und doch gewürdigtes und öffentlich anerkanntes, eigenständiges Leben zu führen und öffentlich ein Amt zu übernehmen.

Am 14. März 2004 konnte der 1998 gegründete Verein Katharina von Zimmern das Denkmal  für Zürichs letzte Äbtissin einweihen, es steht auf dem gewünschten Areal, dem heute noch erhaltenen Kreuzgang des Fraumünsters. Es hat einiges an Ausdauer gebraucht, um die verschiedenen Bewilligungen zu erhalten und das Geld zusammen zu bringen. Schliesslich schuf die  Künstlerin Anna-Maria Bauer eine Blockskulptur aus 37 Kupferblöcken mit dem Gesamtgewicht von 11 Tonnen. Die Skulptur erinnert ökumenisch an den Altar der katholischen und den Abendmahlstisch der reformierten Kirche. Bei den beiden Zugängen des Kreuzganges verläuft am Boden je ein Kupferband mit einem Zitat Katharinas aus dem Übergabeprotokoll des 30. November 1524:

Die Stadt vor Unruhe und Ungemach bewahren und tun, was Zürich lieb und dienlich ist. 1524 Katharina von Zimmern, Zürichs letzte Äbtissin.

An der Einweihungsfeier im voll besetzten Fraumünster sprachen Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, Regierungsrätin Dorothée Fierz und Stadträtin Kathrin Martelli. Die Sängerin Noëmi Nadelmann sang das Exsultate Jubilate von Mozart. Das Denkmal, und damit Katharina von Zimmern, hat große Beachtung gefunden.

(Zum Foto: Einweihung des Denkmals. Abgebildet sind die Bundesrätin, die Regierungsrätin, die Stadträtin, I. Gysel sowie J. Pestalozzi; Copright Tula Roy)

Zum Weiterlesen

R. Abegg: Spätgotische Stuben und Flachschnitzfriese aus dem Hof der Fraumünster-Äbtissin Katharina von Zimmer im Schweizerischen Landesmuseum, mit einem Beitrag von Rachel Kyncl: Analyse der Sprüche in den ehemaligen Räumlichkeiten der Äbtissin Katharina von Zimmern (hrsg. v. Verein Katharina von Zimmern), Typoskript, Zürich.

C. Bumiller/B. Rüth/E. E. Weber (Hrsg.): Mäzene, Sammler, Chronisten. Die Grafen von Zimmern und die Kultur des schwäbischen Adels, Stuttgart 2012.

I. Gysel/B. Helbling (Hrsg.): Zürichs letzte Äbtissin Katharina von Zimmern 1478-1547, Zürich 1999 [Der Verlag überlegt eine Neuauflage]

Art. Katharina von Zimmern, in: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie (online zugänglich unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Katharina_von_Zimmern; Zugriff am 3.6.2014).

P. Niederhäuser/D. Wild (Hrsg.): Das Fraumünster in Zürich. Von der Königsabtei zur Stadtkirche (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. 80), Zürich 2012.

Neujahrsblatt der Gesellschaft zum Fraumünster (2008; online zugänglich unter:  http://www.fraumuenstergesellschaft.ch/#geschichte; Zugriff am 3.6.2014)