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Johanna von Krajek

Eine Beschützerin der christlichen Gemeinschaft

Ein Beitrag von Eva Melmuková und Žofie Vobrová

Johanna von Krajek

Lebensdaten:

1457 - nach 1531

Unter weiteren Namen bekannt als:

Johanka Krajířka z Krajku


Beziehungen

(zum Bild: Relief des Wappens von Johanna von Krajek mit einer Schleife mit dem Namen "Johanka z Krajku etc." am Portal im Schloss Hrubý Rohozec.)

Die Reformation in den Böhmischen Ländern (vom geographischen Gesichtspunkt gesehen) oder die tschechische Reformation (wenn man die Sprache erwähnt, in der sie in die Öffentlichkeit durchgedrungen ist) hat schon am Anfang des 15. Jahrhunderts begonnen. Sie ist mit dem Namen des Magisters Jan (Johannes) Hus und mit seiner berühmtesten und bekanntesten Wirkungsstätte – der Bethlehem-Kapelle in Prag – verbunden.

Zur Zeit des Lebens von Johanna von Krajek existiert die tschechische Reformation schon mehrere Jahrzehnte. In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts, nach der Zeit der ermüdenden Glaubenskämpfe, trennte sich von der hussitischen (utraquistischen) Mehrheitskirche eine Gruppe von Christen, die sich rigoros als Erbin der ursprünglichen Kirche verstand. Sie kappte alle Verbindungen zu den kirchlichen Institution, römischen wie tschechischen, und setzte eigene Geistliche ein, so genannte Diener des Wortes und der Sakramente. Dies ist der Beginn der ursprünglichen Brüderunität, der auf das Jahr 1467datiert wird. In ihrem Streben nach der absoluten Reinheit des Lebens lehnte sie alle Anmaßungen von Macht ab und verbot sogar die Ausübung von aus ihrer Sicht gefährlichen Berufe. Im 15. Jahrhundert wollte die Brüderunität u.a. auch keine Adelige als Mitglieder empfangen. Das hat sich erst in der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert geändert. Ab diesem Zeitpunkt öffnete sich die Brüderunität der Ausbildung, und – wenn auch sehr vorsichtig – den gebildeten Menschen, den Bürgern und dem Adel.

Die Brüderunität lebte zeitweise unter sehr schwierigen Bedingungen, weil sie nie offiziell anerkannt wurde. Im Jahre 1504 ist es zu einer großen Bedrohung gekommen, einige Gemeindehäuser wurden mit Gewalt gesperrt. Im Jahre 1508 wurden die Brüder neu verfolgt als Folge des so genannten Jakobs-Ediktes gegen den „Pikharden“. Auch Johanna von Krajek wurde damals beschuldigt als eine „Pikhardin“, wenn auch sie noch nicht offiziell zur Brüderunität gehörte. Ohne sich von solchen Beschuldigungen einschüchtern zu lassen, hat Johanna von Krajek im Jahre 1511 der Brüderunität in Mladá Boleslav (deutsch: Jungbunzlau) alle Privilegien, die den Brüdern schon früher gegeben wurden, bestätigt. Diese Stadt war das zukünftige wichtige Zentrum der Brüderunität in geistlicher, organisatorischer und kultureller Hinsicht.

Der wichtigste Repräsentant der Brüder in Böhmen zu dieser Zeit, Bratr Lukáš (B.Lukas), leitete von hier sehr lange die ganze Brüderunität. Man nannte die Stadt Mladá Boleslav damals: Rom der Brüder oder Jerusalem oberhalb des Flusses Jizera (Iser).

Zu Weihnachten 1512 ist Johanna von Krajek offiziell eine Schwester, ein Mitglied der Brüderunität geworden, und hat am Heiligen Abendmahl in der Gemeinde in Mladá Boleslav teilgenommen.

Im Jahre 1517 hatte B. Lukas der Johanna angesichts ihres fortgeschrittenen Alters und zu erwartenden baldigen Todes eine Trostschrift gewidmet. Johanna aber starb erst 1531 und konnte so noch die mit Martin Luther verbundene Reformation erleben und die Auseinandersetzung der Böhmischen Brüder mit dieser.

Johanna von Krajek stammte aus dem Geschlecht der Herren von Kraiger von Kraigg, ursprünglich aus Kärnten. Sie ist um das Jahr 1457 geboren. Sie heiratete Jan Tovačovský z Cimburka (Johann von Cimburg und Tobitschau), dem Herrscher der Stadt Mladá Boleslav. Wenn auch der Ehemann von Johanna von Krajek kein Mitglied der Brüderunität war (und als Adeliger damals gar nicht Mitglied werden konnte), sympathisierte er mit den Brüdern und half ihnen. Die Förderungen, die Johannas Ehemann der verfolgten Gemeinschaft angedeihen ließ, setzte Johanna, seit 1483 Witwe, fort. Ihr Sohn Adam Tovačovský z Cimburka (Adam von Cimburk und Tobiscschau) hat mit seiner Mutter als Mitherrscherin in demselben Sinn gehandelt. Nach dem Tod des Sohnes hat Johanna einen sehr toleranten und unterstützenden römisch-katholischen Mann, Jan ze Šelmberka (Johann von Schelmberg), geheiratet und konnte so ihr Mitwirkung bei der Bruderunität weiter fortsetzen. 

Im Jahre 1508 starb auch der zweite Ehemann und Johanna von Krajek blieb als Witwe zurück. Die Sorge um die Herschaft und um die Stadt oblag nun ihr. Im Jahr 1513 entschied sie sich, alle weltliche Macht abzugeben und die Herrschaft ihrem Bruder Kunrát z Krajku (Konrad von Krajek) zu übergeben. Diesen Entschluss setzte sie nach der Beratung mit den Repräsentanten der Brüderunität am 10.8.1513 um. Konrad von Krajek galt ebenfalls auch ein treuer Verteidiger der Brüderunität. Er bestätigte der Stadt nicht nur die bisherigen Privilegien, sondern erweiterte auch noch deren Rechtsgrundlagen und Handlungsspielräume: Die Bürger müssen nicht eine neue Obrigkeit annehmen, wenn diese ihre Privilegien und so genannte Freiheiten (darunter auch die Religionsfreiheit) nicht respektieren möchte. Johannas Bruder war auch ein unformeller Leiter der etwa zwanzig neuen adeligen Mitglieder der Brüderunität.

Johanna von Krajeks öffentliches und gesellschaftliches Leben war geprägt durch massive Anfeindungen, aufgrund ihrer Sympathie für die Brüderunität. Auch die Mitglieder ihrer Familie waren von öffentlichen massiven Anfeindungen betroffen. Johanna selbst wurde sogar als „Pikhardin“ beschuldigt und auch ökonomisch bedroht. Das alles erschütterte sie jedoch nicht in ihren Glaubensüberzeugungen, auch dann nicht als selbst B. Lukas aus der Stadt fliehen musste.

Wirkungsbereich

Zu ihrem vorrangigen Wirkungskreis zählte die Gemeinde der Brüderunität in Mladá Boleslav. Diese wurde von Johanna von Krajek auch finanziell sehr unterstützt, denn die Frauen in Böhmen konnten ganz frei mit den Gütern, die sie besaßen, disponieren. So finden sich unter den Unterstützern der Bruderunität auch viele weibliche Spenderinnen, neben Johanna von Krajek zum Beispiel Kateřina z Ludanic (Katharina von Ludanice), Anna von Šarov und Marta von Boskovice. Die letztegenannte hat es sogar gewagt, dem König Vladislav eine Bittschrift für die verfolgten Brüder zu senden. Mit diesem Schreiben bekannte sie sich selbst geleichzeitig als Anhängerin der Brüderunität.

Schon im Jahre 1493 hat Johanna von Krajek gemeinsam mit ihrem Sohn Adam von Cimburg und Tobitschau (Adam Tovačovský z Cimburka), den Brüdern das ehemalige, damals schon verlassene Minoritenkloster in der Stadt vermacht. So entstand hier auf der Höhe, die die Brüder Karmel genannt haben, das Brüdergemeindehaus mit dem Friedhof, dann die Schule, die Druckerei und das Zentralarchiv. Das Gebrauchsrecht für diese Immobilien wurde der Brüderunität durch ein Privilegium im Jahre 1501 bestätigt.

In dieser Stadt wurde im 16. Jahrhundert auch das größte Kirchgemeindehaus der Brüderunität im Renaissancestill erbaut.

Als Herrscherin über Mladá Boleslav fiel Johanna von Krajek durch ihre Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt auf. Sie unterstützte die Bürger in Mladá Boleslav politisch, sozial und ökonomisch. Die Gewissensfreiheit hat sie auch der rechtlich nicht anerkannten Brüderunität gesichert.

Im Leben der Frauen der tschechischen Reformation, die freilich, wie überall, vorwiegend Ehefrauen und Mütter waren, spielte die Heilige Schrift eine ganz wichtige Rolle. Egal ob sie den Geschichten aus der Bibel zuhörten oder sie selber lasen, diese Texte waren ihnen Lebensquell. Manche hussitischen Frauen im 15. Jahrhundert waren aber auch offiziell tätig in der Gemeinde. Es sind sogar Berichte überliefert, dass einige von ihnen gepredigt haben. In der Brüderunität war die Situation von Frauen ein bißchen anders. Die Möglichkeiten, die die tschechische Reformation für die Frauen neu (besser gesagt altneu, weil die Idee der ursprünglichen Kirche vertreten wurde) eröffnet hat, blieben immer lebendig. In der Situation einer fast immer bedrohten Kirchengemeinschaft musste man sich freilich dieser Bedingungen anpassen. Die Frauen konnten nicht so viel öffentlich bei den Bibelauslegungen oder Predigten tätig sein. Die besten Ausdrucksmöglichkeiten für Frauen waren die Lieder, überwiegend mit theologischen Inhalt, die ebenso eine wichtige Ausbildungsrolle in der Gemeinde spielten. Die Frauen in der Bruderunität wurden hoch geschätzt; schon im ersten Programm dieser Gemeinschaft aus dem Jahr 1464 spricht man von der Brüderunität als von einer Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern, wo gleichwertige Grundsätze gültig für beide Geschlechte sind. Von Anfang an existierte in der Brüderunität auch eine offizielle Berufung zum Dienst der sog.“Schwester-Presbyterin“ (so der offizielle Terminus). Diese Frauen haben als Schwester-Presbyterin sowohl Sozial- als auch Erziehungsaufgaben übernommen.

Äußerst wichtig war auch die Hilfe der Frauen bei der Finanzierung des Buchdruckes. In der brüderlichen Druckereien sind nicht nur theologische und religiöse Bücher erschienen, manchmal auch Fachliteratur zu verschiedenen Thematiken. In Mladá Boleslav ist zum Beispiel nicht nur die erste Karte von Böhmen im Jahre 1518, sondern auch im Jahre 1519 von demselben Autor (einem Arzt) Mikuláš Klaudyán (Nicolaus Claudian) das erste gynäkologische Handbuch für Hebammen mit Bildern erschienen.

Reformatorische Impulse

Hier sind zum einen die reformatorische Ideen zu nennen, die Johanna von Krajek selbst beeinflusst haben: die Bibel, das allgemeine Priestertum der Glaubenden und die in Gal 5,6 ausgesprochene Überzeugung eines Glaubens, der durch die Liebe tätig ist. Zum anderen sind die reformatorische Impulse, die sie selbst gegeben hat, zu erwähnen: Sie stand Zeit ihres Lebens ein für ein lebendiges Christentum, das sich zeigt im tätigen Handeln. Obwohl selbst mit den Insignien der Macht ausgestattet, wählte sie den Lebensweg des Dienens für die anderen. Ein besondere Aspekt, die ihr Leben auszeichnet, ist ihr weit der Zeit voraus seiendes ökumenisches Denken. Schon im Jahre 1513 hat Johanna von Krajek eine Apologie ihrer Überzeugung und ihres Glaubens geschrieben. In diesem mutigen und eindeutigen Bekenntnis findet sich ein Satz, der am deutlichsten die ökumenische Haltung der tschechischen Reformation ausdrückt: „Wenn ich den Beweggrund, warum ich diese Religion gewählt habe, sagen soll, also mache ich vor Gott und vor jedem Menschen bekannt, daß ich so tue nicht aus dem Hochmut oder wegen der Verachtung der anderen, weil ich glaube, das Herr Gott überall in der Welt seine Auserwählte hat, die wahre Christen sind, und nicht nur in der Brüderunität“. Erst danach präzisiert sie für sich selber den Beweggrund ihrer Entscheidung: „...daß ich eben hier nähere Wahrheit für die Heilung gründlich sowie dienstlich bei den Geistlichen und bei der Gemeinde kennengelernt habe.“

Kommentar

Das Leben von Johanna von Krajek beeindruckt; trotz der Anfeindungen und Gefährdungen von außen hat sie mutig den Aufbau der Gemeinde von Brüdern und Schwestern beständig weiter vorangebracht. Sie sorgte für die ständige kulturelle Entwicklung im christlichen Geiste und setzte ihre gesellschaftliche Stellung zum Nutzen der christlichen Gemeinde und der Menschen allgemein ein.

Zum Weiterlesen

A. Císařová-Kolářová: Žena v Jednotě bratrské, Prag 1942.

R. Kalfus: Jednota bratrská v obrazech, Prag 1957.

A. Molnár: Luc de Prague édifiant la communauté (1498-1502) in: Communio viatorum 5 (1962), 189-200.

A. Molnár: Autour du mandat royale. Luc de Prague entre 1504 et 1509, in: Communio viatorum 6 (1963), 39-52.

J.T. Müller: Geschichte der Böhmischen Brüder I-III, Herrnhut 1922/31.

J. Pánek: The Question of Tolerance in Bohemia and Moravia in the Age of the Reformation in: O.P. Grell/B. Scribner (Hgg.) Tolerance and Intolerance  in the European Reformation, Cambridge 1996, 231-248.

R. Říčan: Die Böhmischen Brüder. Ihr Ursprung und ihre Geschichte, Berlin 1958 [ 2. Aufl. hrsg. v. M. Theile, Basel 2007].

M. Rohde: Luther und die Böhmischen Brüder nach den Quellen (Pontes pragenses 45), Brno 2007.

M. Thomsen: “Wider die Picarder”. Diskriminierung und Vertreibung der Böhmischen Brüder im 16. und 17. Jahrhundert, in: J. Bahlcke (Hg.), Glaubensflüchtlinge, Ursachen, Formen und Auswirkungen frühneuzeitlichen Konfessionsmigration in Europa (Glaubensflüchtlinge in Ost-,Mittel- und Südosteuropa 4), Berlin 2008, 145-165.

M. Weisse: Gesangbuch der Böhmischen Bruder vom Jahre 1531, Kassel 1931.

Eine Materialsammlung ist im Internet hier zu finden:

http://www.frauenundreformation2017.at/sites/default/files/tschechien.pdf