Bedienhilfe zur Biografie

Hier ist die Biografie der ausgewählten Frau zu finden. Unter dem Namen der Frau erscheint eine Überschrift, die als Motto für ihr Leben zu verstehen ist. Jede Biografie ist anschlussfähig für den social media Bereich. Die Biografie kann als Link gepostet werden, wobei gleichzeitig die EKD Datenschutzrichtlinien berücksichtigt werden. Durch Anklicken der Felder „Beziehungen“, „Wirkungsbereich“, „Reformatorische Impulse“, „Kommentar“ und „Zum Weiterlesen“ öffnen sich die Felder und der jeweilige Inhalt kann gelesen werden.

Wenn Sie wieder zur Ansicht der Erinnerungslandkarte von den Frauen, die reformatorische Impulse gesetzt haben, gelangen möchten, klicken Sie bitte oben links auf „Zurück zur Karte“. Wenn Sie den Bereich wechseln möchten, können Sie dies durch Anklicken der jeweiligen Rubriken in der oberen Menüleiste tun. In roter Schriftfarbe ist immer der Bereich kenntlich gemacht, in dem Sie sich gerade befinden.

Agnes von Štítné

Eine praktische Christin aus Prag

Ein Beitrag von Eva Melmuková und Žofie Vobrová

Agnes von Štítné

Lebensdaten:

um 1370 - vor 1429


Beziehungen

Zum Foto: Von Agnes von Štítný selbst gibt es kein Bild. In diesem von ihrem Vater geschriebenen Buch ist auf einer Initiale die Štítný Familie sehen. Es ist die Initiale B aus der Pergament-Handschrift Klementinský sborník (Klementinischer Sammelband) und stellt Thomas von Štítný dar, wie er seine Kinder unterrichtet. Copyright: Nationalbibliothek Prag (Klementinum)

Agnes von Štítné wurde hinsichtlich ihrer Bildung sehr durch ihren Vater geprägt. Sie ist eines von fünf Kindern des Kleinadeligen Tomáš ze Štítného aus Südböhmen (Thomas von Štítné). Ihre Mutter und auch drei Geschwister verstarben sehr früh. Agnes wuchs allein mit dem überlebenden Bruder Jan (Johannes) auf. Die Mutterrolle für Agnes übernahmen zwei ledige Tanten von ihr.

Beide Kinder wurden sorgfältig durch ihren Vater, den Bibelleser und Schriftsteller, erzogen. Thomas von Štítné ist in die Geistes- und Literaturgeschichte Böhmens des 14. Jahrhunderts als Übersetzer und Kompilator theologischer Werke eingegangen. Agnes sollte alle seine Bücher erben, falls sie sich nicht verheirate. Er schreib an Agnes: „Ich meine alle dir schreiben Bücher, du sollst drinnen lesen für dich selber oder den anderen für die nützliche Kurzweil.“ Explizit Agnes widmete er eine von ihm kompilierte Traktatensammlung sowie die Langfassung der Offenbarungen (revelationes) der Heiligen Birgitta von Schweden.

Auch die christliche Gemeinschaft in der Bethlehem-Kapelle prägte Agnes von Štítné. Die Reformation in den Böhmischen Ländern (vom geographischen Gesichtspunkt gesehen) oder die tschechische Reformation (wenn man die Sprache erwähnt, in der sie in die Öffentlichkeit durchgedrungen ist) hat schon am Anfang des 15. Jahrhunderts begonnen. Sie ist mit dem Namen des Magisters Jan (Johannes) Hus und mit seiner berühmtesten und bekanntesten Wirkungsstätte – der Bethlehem-Kapelle in Prag – verbunden. Es handelte sich in diesem Fall nicht um eine Kirche mit der gewöhnlichen Anordnung, aber eher um einen weiträumigen Vortragssaal, der ausschließlich für die Predigt genutzt wurde. Dieser Saal hatte keine Rechte der Pfarrkirchen, man nannte ihn also „Kapelle“. Sein Name „Bethlehem“ (Haus des Brotes) sollte ausdrücken: die Öffentlichkeit und die gläubigen Christen sollen dort die Erfrischung durch das Brot der heiligen Predigt finden. Die Bethlehem-Kanzel bestieg M. J. Hus zum ersten Mal am 15. März 1402 und er wirkte hier bis zu seinem erzwungenen Abgang im Februar 1413. Seine Zuhörerinnen und Zuhörer aus allen Schichten der Bevölkerung bildeten eine immer mehr vereinigte Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern, die die biblische Sendung angenommen hat und sie nun ins Leben rufen wollten.

Für die Gemeinschaft der Schwestern um Agnes hat Jan Hus im Exil die Schrift „O poznání cesty pravé k spasení“ („Von der Erkenntnis des rechten Weges zur Erlösung“) geschrieben, die unter dem Namen „Dcerka“ („Töchterchen“) firmiert, da die Anrede „Höre Tochter“ (Ps 44 [45],11) die Abhandlung wie ein roter Faden durchzieht..

Diese Schwestern in der Gemeinschaft prägten Agnes weiteren Lebensweg. In ihrem Haus in Prag, in unmittelbarer Nähe der Bethlehem-Kapelle, führte sie mit gleichgesinnten Frauen ein semireligiöses Leben in ähnliche Weise wie es die Beginen führen.

Es war einer jener Kreise von unabhängigen unverheirateten Frauen, die nicht das Leben der Nonne im Kloster gewählt haben, aber manchmal unter dem Namen der Beginen oder ganz ohne jede offizielle Organisation in einer semireligiösen Form gelebt haben.

Diese Frauen wurden durch keine feste Regel gebunden, sie besaßen ihr privates Vermögen und eine gewisse Freiheit. Sie konzentrierten sich auf die Vertiefung der Erkenntnis des Weges Jesu Christi. In seinem Geiste wünschten sie zu leben und den Mitmenschen in ihrem Umfeld mit Wort und Tat zu dienen, wo es notwendig war.

Wirkungsbereich

Zu Agnes von Štítné’s Wirkungsbereich zählt ihre Tätigkeit in der Gemeinschaft der Schwestern in der Nähe der Bethlehem-Kapelle. Im Hause, das Agnes von Štítné gemeinsam mit Kunka von Wartenberg ursprünglich gehörte, lebten später mehrere Frauen. Dieses Haus (es ist das Haus nr. 254 neben der Bethlehem-Kapelle) durfte nach gemeinsamen Willen nicht verkauft werden, nur im Fall der höchsten Not. Auch dann müsste dies nur mit Zustimmung aller Einwohnerinnen geschehen. Das Geld sollten sich dann alle teilen. Nach dem Tod einiger Frauen aus der Gemeinschaft werden die  gebliebenen dasselbe Recht zum Haus haben wie früher. Auch wenn nur eine von allen geblieben würde, könnte sie wieder neue Frauen zu sich annehmen. Wenn eine der Schwestern sich trennen möchte, konnte sie gehen mit all Hab und Gut, ihr Anteil an dem Haus (falls es existierte), konnte sie aber nicht wegnehmen. (Aus einem Vertrag vom 23.7.1414. )

Die Frauen aus der Gemeinschaft der Bethlehem-Kapelle äußerten sich sehr mutig auch im öffentlichen Leben. Als im Jahre 1412 die ersten drei hussitischen Märtyrer  hingerichtet wurden, besorgte eine von diesen Frauen drei weiße Leintücher und bedeckte die Körper der Jungen. Ihre Schwestern begleiteten mit  anderen Gläubigen diese Körper mit dem Sang „Isti sunt sancti“ (Diese sind heilig) in die Bethlehem-Kapelle.

Reformatorische Impulse

Hier sind zum einen die reformatorische Ideen zu nennen, die Agnes von Štítné selbst beeinflußt haben: die Bibel, das allgemeine Priestertum der Glaubenden und die in Gal 5,6 ausgesprochene Überzeugung eines Glaubens, der durch die Liebe tätig ist.

Zum anderen sind die reformatorische Impulse, die sie selbst gegeben hat, zu erwähnen: Nämlich, dass das Lesen der Bibel und der Erbauungsbücher einen selbst und auch die anderen innerlich bereichern können. Ein weiterer wichtiger reformatorischer Impuls, der von ihrem Lebensweg ausgeht, ist, dass das Ziel einer christlichen Existenz ein praktisches Christentum in Wort und Tat ist.

Kommentar

Agnes von Štítné war eine selbstständige, selbstbewusste und ausgebildete Frau, gleichzeitig aber auch eine demütige Christin. Sie ist bewust ihren eigenen Weg des christlichen Dienstes gegangen. Man kann sagen, dass sie die Diakonie ganz im Sinne der biblischen Diakone in der Apostelgeschichte gewählt und gelebt hat.

Zum Weiterlesen

A. Císařová-Kolářová: Posluchačky v Kapli betlémské, Prag 1947.

J. Hus: O poznani cesty prave k spaseni Dcerka: O poznani cesty prave k spaseni / Jan Hus ; [Text upravil Dr. Frantisek Zilka, knihu vyzdobil prof. Jan Konupek] 1946.

J. Hus: O poznani cesty prave k spaseni Dcerka: o poznani cesty prave k spaseni / Jan Hus ; [upravil Frantisek Zilka] 2. vyd. Prag 1995.

J. Hus: Dcerka / Jan Hus Brno : Tribun, 2000.

P. Rychterová: Die Offenbarung der Heiligen Birgitta von Schweden. Eine Untersuchung zur alttschechischen übersetzung des Thomas von Štítné (um 1330 – um 1409) (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 58) Köln/Weimar/Wien 2004 (bes. Kap. III. [Thomas von Stitne und seine Schriften]).

F. Šmahel: Die hussitische Revolution I-III (MGH-Schriften 43/I-III), Hannover 2002.

T. ze Štítného: Knížky o hře šachové a jiné- Státní nakladatelství krásné literatury, hudby a umění, Prag 1956.

Eine Materialsammlung ist im Internet hier zu finden:

http://www.frauenundreformation2017.at/sites/default/files/tschechien.pdf