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Magdalena Heymair

Eine Schulleiterin dichtet Kinderlieder

Ein Beitrag von Ulrike Grüneklee

Magdalena Heymair

Lebensdaten:

ca. 1535 - nach 1586

Unter weiteren Namen bekannt als:

Magdalena Heymairin


Beziehungen

Der Geburtsort und das genaue Geburtsdatum von Magdalena Heymair sind unbekannt. Einige biographische Angaben, die auch Rückschlüsse auf die von ihr gepflegten Beziehungen geben, lassen sich aus den Vorreden zu ihren Büchern entnehmen:

1560 oder später ist Magdalene Heymair Hauslehrerin der Töchter Magdalena und Maria der Freifrau Katharina von Degenberg. Wie aus Magdalena Heymairs Vorrede zu „Das Buechlein Jesu Syrachs“ hervorgeht, ist sie aus Armut zum Unterrichten gezwungen. Freifrau Katharina von Degenberg, geb. von Freyberg, ist die Witwe des Regener Stadtrichters Hans VII von Gegenberg zu Schwarzach und Weißenstein (nach 1510-1559). Katharina von Degenberg war als Tochter des streng lutherischen Stadthauptmanns Wolf von Freyberg zu Mickhausen in der mehrheitlich protestantisch gesinnten Freien Reichsstadt Augsburg aufgewachsen. Die Gespräche mit ihrer lutherischen Dienstherrin Katharina von Degenberg führen dazu, dass die Katholikin Magdalena Heymair zum lutherischen Glauben konvertiert („ausz dem Bapstumb und zu der wahren Kirche“). Sie muss aus Straubing fliehen und wird durch die Vermittlung von Ludwig VI von der Pfalz Schulmeisterin in Cham.

In den Jahren 1566-1570 ist Magdalena Heymair Schulmeisterin zu Cham, gleichzeitig mit ihrem Ehemann Wilhelm Heymair. Über ihre Ehe und ihre Aufgabenverteilung als Schulmeister ist nichts bekannt. Ihr Buch Tobiae von 1586 widmet sie „dem lieben Ehestand / allen frommen christliebenden Eheleuten […] zu ehren/erinnerung und trost“. (Das Buch Tobiae Inn christliche Reimen / und Gesangweise gefasst und gestellet / Gott / dem lieben Ehestand / allen frommen christliebenden Eheleuten / und jungfrewlichen Kinderschulen / zu ehren/erinnerung und trost; 1586). Während ihrer Zeit in Cham beginnt Magdalena Heymair nach dem Vorbild des Kinderliederdichters Nikolaus Herman eigene Bibellieder für den Unterricht zu verfassen. Seine Vertonung der Sonntagsevangelien für Kinder hat Magdalena Heymair als Vorlage für einige ihrer Lieder benutzt. In der Vorrede zu „Die sontegliche Episteln über das gantze Jahr in gesangsweis gestellt“ (1568) erklärt sie ihre Motivation: Sie hat in Cham das „Gesangbüchel der Evangelien“ von Nikolaus Herman, Kantor in Joachimsthal, gelesen und dabei die Nachricht gefunden, er habe auf Bitten einer Schulmeisterin seine Evangelienlieder verfasst; darüber habe sie sich gefreut und Gott um die Gnade gebeten, dass sie nun die sonntäglichen Episteln zum Singen einrichten könne. Während ihrer Zeit in Cham pflegt sie eine Korrespondenz mit dem Regensburger Superintendenten Nikolaus Gallus und schließt Freundschaft mit dem Stadtpfarrer Mag. Willibald Ramsbeck.

Im Jahr 1568 veröffentlicht sie ihr erstes Werk („Die sontegliche Episteln …“); weitere Auflagen folgen 1569, 1578,1579 und 1733.

Nach 1570 gestattet der calvinistische Pflegverwalter Veit Wurtzer aus Landshut ihr, eine konkurrierende Schule zu betreiben, obwohl ihr die deutsche Schule ausschließlich zugesichert worden war und sie vom lutherischen Rat unterstützt wurde. Wegen ihrer lutherischen Einstellung und weil „sich zwei schuelmaister alhie nicht kunnen erhalten“ muss Magdalena Heymair diese Stelle unter dem calvinistischen Landesherrn Kurfürst Friedrich III von der Pfalz verlassen. Wilhelm Heymair bewirbt sich vergeblich um eine Anstellung der beiden in Amberg.

Im Jahr 1571 wird ihre zweite Veröffentlichung („Das Buechlein Jesu Syrachs …“) gedruckt; weitere Auflagen folgen 1572,1573,1578 (2x) und 1586.

Zwischen ca. 1570– ca. 1578 ist Magdalena Heymair Schulmeisterin in Regensburg. In dieser Zeit kommt es zur Zusammenarbeit mit Georg Sunderreiter in Augsburg. Er ist bekannt als Bearbeiter der Lieder über die Sonntagsevangelien von Nikolaus Herman. In gleicher Weise gab er poetische Bearbeitungen biblischer Bücher (des Jesus Sirach, der Apostelgeschichte u.a.) von Magdalena Heymair heraus und stellte auch ihnen eigene Lieder an die Seite.

Am 22.12.1572 lässt der Rat der Stadt Augsburg „Wilhelm Heimair aus Regensburg“ eine Verehrung für ein „gesangbüchlein der Apostelgeschicht“ zukommen.

Im Jahr1573 erscheint die dritte Veröffentlichung („Das Buch der Apostolischen Geschichten …“) von Magdalena Heymair handschriftlich (weitere handschriftliche Fassung 1574; gedruckt 1586). Im Jahr 1580 wird ihr viertes Werk („Das Buch Tobie …“) veröffentlicht (gedruckt 1586).

Um 1585 tritt Magdalena Heymair eine Stelle als Hofmeisterin und Erzieherin im Haushalt der Witwe Judith Rueber geb. v. Friedensheim, an. Nach der Verpachtung der Herrschaft in Grafenwörth lebt Magdalena Heymair ab ca. 1586 auf den Besitzungen der Rueber in Kaschau.

Der genaue Todesort und das Todesdatum von Magdalena sind – ebenso wie ihre Geburtsdaten – unbekannt.

Wirkungsbereich

Magdalena Heymair zeichnet sich durch eine hohe literarische Produktivität aus. Ihre Werke erreichten mehrere Auflagen bei unterschiedlichen Verlagen. Für ihr Werk war der (von Nikolaus Herman übernommene) pädagogische Leitgedanke maßgebend, dass das Lied die beste Vermittlungsform biblischer Inhalte darstellt. Bis zu ihrer Zeit waren Lesen und Abschreiben die üblichen Unterrichtsformen. Singen galt lediglich als Abwechslung im eintönigen Unterrichtsalltag. Während Nikolaus Herman die Melodien für seine Lieder selbst erfand, passte Magdalena Heymair ihre Lieddichtungen an bestehende geistliche oder weltliche Melodien an (vgl. Koldau, 373). In seiner späteren Überarbeitung hat Georg Sunderreiter dann die meisten weltlichen Melodien durch geistliche ersetzt.

Warum hat Magdalena Heymair gerade die Episteln, das Buch Jesus Sirach, die Apostelgeschichte und das Buch Ruth als Gegenstand ihrer Lieder ausgewählt?

  • Im evangelischen Schulunterricht mussten wöchentlich die Episteln für den Sonntag auswendig gelernt werden.
  • Das Weisheitsbuch Jesus Sirach wurde von lutherischen wie von katholischen Theologen und Pädagogen als Erziehungsbuch empfohlen.
  • Die Apostelgeschichte diente den Lutheranern als biblisches Gegengewicht zu den mittelalterlichen Heiligenlegenden. 

Das Buch Tobias mit seiner Mischung aus Abenteuer und Lehre bot sich als spannende Unterrichtslektüre an, während das darin enthaltene Buch Ruth traditionell als bevorzugtes Erbauungsbuch für Mädchen galt (zur Textauswahl vgl. Koldau, 372).

Reformatorische Impulse

Es gehört zum Evangelisch-Sein, dass man die Bibel selber lesen kann. Bei den mit der Reformation einsetzenden Schulgründungen kam zum ersten Mal auch die Mädchenbildung in den Blick. Dafür wurden Lehrerinnen für Elementarunterricht und Katechismuslehre gesucht. Magdalena Heymair gehörte zu den ersten Pädagoginnen, die diese Aufgabe wahrnahmen. Über ihre Tätigkeit als Schulmeisterin hinaus hat sie eigene Werke für den Unterricht verfasst, mit dem Ziel, den Mädchen durch Singen den biblischen Lehrstoff näher zu bringen. Ihre Lieder waren vor allem im süddeutschen Raum ein großer Erfolg. Noch 200 Jahre später wurde sie in den Listen berühmter Frauen als hervorragende Pädagogin und Liederdichterin erwähnt (Koldau, 370). Magdalena Heymairs Lebensgeschichte mit häufigen Ortswechseln gibt ein Zeugnis für die Hartnäckigkeit, mit der sie ihrer Berufung als Schulmeisterin gefolgt ist, aber auch für die Schwierigkeiten, denen sie dabei ausgesetzt war. Vielleicht ist das der Grund für ihr Ringen um Glaubensgewissheit:

„Ach trewer Gott hilf mir inn nott/

auch inn dem todt/

Erhalt mich Herr bey reiner Lehr/

Gehe mit mir nicht inn das Gericht/

Dann ich kann nicht bestehn/

vor der Sünden die ich gethan.

Weich nit zur frist Herr Jesu Christ/

Du Mitler bist/

Mein Sünd deck zu/

So hab ich rhu/

Steh du mir bey/

Mein fürsprech sey./

Mein Feind das unterlig/

Das ich mög erlangen den Sig./

Gott heilger Geist/

Ich bitt am meist/

Dein hilff mir leist/

Zu aller frist/

Mach mich vergwisst/

Du ewigs gut gib starcken mut/

Auff das mein hertz und mund/

Dich frisch bekenn zu aller Stund.“

In diesem Gedicht kommt die Überzeugung zum Ausdruck, dass Christus als Mittler und Fürsprecher der Menschen tätig wird, wenn man ihn darum bittet. Gleichzeitig spürt man das Ringen um die „rechte Lehr“ und den Mut zum eigenen Bekenntnis. Zumindest bei ihrem erzwungenen Rücktritt in Cham hat der einsetzende Konfessionalismus eine Rolle gespielt. Sie selbst hat ihren katholischen Glauben aus lutherischer Überzeugung verlassen. Möglicherweise ist ihr Ringen um Glaubensgewissheit auch vor diesem Hintergrund zu verstehen.

Magdalena Heymair hat immer wieder adlige Frauen gefunden, die sie und ihr Werk gefördert haben: „Durch ihre Widmungen, Vorreden und Stoffwahl“ stellt sich ihr Werk als ein speziell auf Frauen bezogenes Oeuvre dar, „das durch einen Freundinnenkreis von Adelsdamen und Patrizierinnen angeregt und gefördert wurde und konsequent Frauen und Mädchen als Leserinnen und Sängerinnen anspricht“ (Koldau, 371). Zu den Widmungsträgerinnen gehören mehrere Pfalzgräfinnen, die Magdalena Heymair möglicherweise in ihrer Zeit als Schulmeisterin in Cham unterstützt haben, die Ratsfrau Brigitte Weinzierl aus Straubing und mehrere Frauen aus Kaschau, die offenbar einen Freundeskreis um Magdalena Heymair bildeten (Koldau, 371-372). „Obwohl sich Magdalenas Stoffwahl ganz im Rahmen der traditionellen biblischen Lehrstoffe bewegt, legt sie in ihren Liedern einen besonderen Schwerpunkt auf die Frauen des Alten Testaments und betont die wichtige Rolle, die Frauen im Neuen Testament und besonders in der Apostelgeschichte spielen: „Im 21. Cap. (der Apostelgeschichte) wirt nit ohn sonderliche Ehr deß weiblichen geschlechts vom H. Luca / ja dem H. Geist selbs geschrieben vnd vermeldet / das die 4. Töchter Philippi deß Euangelisten weissagerin / das ist / außlegerin der H. Schrifft  gewesen […]. Diese vnd dergleichen Exempel / deren noch etlich hernach stehen im 24.25.26. weibliches geschlechts / haben mich bewegt / das Büch der Apostolischen Geschichten Gesangsweiß zu verfassen und Weiblichem Geschlecht zu zuschreiben / wie billich vnd recht zu sein scheinet.“ Dieser frauenbetonten Konzeption zufolge wendet sich Magdalena Heymair keineswegs nur an die Kinder, die sie unterrichtete, sondern auch an deren Mütter, die in der häuslichen Aufgabenverteilung für die religiöse Erziehung der Kinder zuständig waren, und ganz allgemein an Frauen, die religiöser Stärkung bedürfen. So empfiehlt sie ihre Lieder den Leserinnen als „ein rechtes krafftwasser für bekummerte vnd trostlose Witwen vnnd Christen / die den Witwen vnnd weysen hin vnd her in der schrifft: sonderlich dem Psalter vnd Esaia verglichen werden“ (zitiert aus: Koldau, 372).

Kommentar

Die Lebensgeschichte der Magdalena Heymair beeindruckt zum einen durch den Mut, sich im Kontext des reformatorischen Aufbruchs die neue Rolle der Schulmeisterin anzueignen, und zum andern durch die Konsequenz, mit der sie ihre Idee, biblische Stoffe durch Kinderlieder zu vermitteln, verfolgt hat. Dabei hat sie Kollegen und Förderinnen gefunden, die ihr Werk unterstützt haben.

Es steht noch aus, ihr Werk unter rezeptionsgeschichtlichen Aspekten zu untersuchen. Dabei wäre zu fragen:

-       Welche Selbstaussagen („Ich arme Magd“ u.a.) begegnen in ihrem Werk? Gibt es eine Entwicklung?

-       Wie werden biblische Frauenfiguren (Ruth) dargestellt und kommentiert?

-       Welche Bedeutung haben weisheitliche Lehrtexte (wie Sirach) in ihrem Werk?

-       Lassen sich im Vergleich mit dem Werk von Nikolaus Herman besondere Akzente in Hinblick auf die Mädchenbildung erkennen?

Zum Weiterlesen

A)  Quellen

M. Heymair: Die sontegliche Episteln über das gantze Jahr in gesangsweis gestelt, durch Magdalenam Heymarin, Teütsche Schulmaisterin zue Chamb. Mit einer Vorrede Magistri Willibaldi Rambsbecken, Stadtpredigers zu Chamb. Die Melodey ist bey einem yeden Gesang angezeigt; handschriftlich 1566; 1. Aufl. o.O. (Nürnberg)1568 [2. Aufl. Nürnberg 1569; 3. Aufl. Straßburg 1578; 4. Aufl. Nürnberg 1579; 5. Aufl. Regensburg 1733].

M. Heymair: Das Buechlein Jesu Syrachs in Gesangweiß verfast durch Magdalenam Heymairin, Teutsche Schulmaisterin  zu Regenspurg vnd der lieben Jugendt zu gutem in Truck gegeben. Mit einer schoenen Vorred. Ephes 5 …, Vorrede von M. Josua Opitius, 1. Aufl. Regensburg 1571 [ 2. Aufl. Regensburg 1572; 3. Aufl. Regensburg 1573; 4. Aufl. Straßburg 1578; 5. Aufl. Augsburg 1578; 6. Aufl. Augsburg 1586].

M. Heymair: Das Buch der Apostolischen Geschichten gesangsweiß gestelt, handschriftlich Regenburg 1573 und 1574 [2. Aufl. Straßburg 1586].

M. Heymair: Das Buch Tobie In Christliche Reimen/ vnnd Gesangweise gefast vnd gestellet / Gott / dem lieben Ehestand / allen frommen christliebenden Eheleuten / und jungfrewlichen Kinderschulen / zu ehren/erinnerung vnd Trost, Durch Fraw Magdalenam Heymairin, der zeit Rueberischen Frawen Zimmers Hoff Meisterin, Mit sampt noch etlichen vn(d) fünfftzig christlichen vnnd geistreichen Liedlein, vnnd Kinder Gesprechen so auch gleichsfals aus Christlichem eiffer, vnnd hertzlicher liebe Göttlicher vnuerfelscheter Warheit, von ernenter Matronen aus Gottes Wort mit Fleisz zusamen bracht und verfertigt worden, wozu noch viele Wynacht- Oster- vnd Pfingstgesänge zu rechnen. Folget das Büchlein Ruth, auch Gesangweiß als ein zugab; 1. Aufl. Bartfeld 1580 [2. Aufl. o.O. 1586].

 

B)  Sekundärliteratur

A. Classen: Mein Seel fang an zu singen. Religiöse Frauenlieder des 15.-16. Jahrhunderts. Kritische Studien- und Textedition, Leuven 2002, bes. 318-335.

L. M. Koldau: Frauen – Musik – Kultur. Handbuch zum deutschen Sprachgebiet der Frühen Neuzeit. Köln/Weimar/Wien 2005, bes. 370.

M. Rößler: Liedermacher im Gesangbuch. Liedgeschichte in Lebensbildern; Stuttgart 2001, bes. 146-148.