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Birgitte Gøye

Frömmigkeit und Bildung – die Schulgründerin

Ein Beitrag von Merete Nielsen

Birgitte Gøye Copyright: Wikimedia Commons

Lebensdaten:

1511? - 1574

Unter weiteren Namen bekannt als:

Birgitte Gjøe


Beziehungen

Birgitte Gøye wurde vermutlich 1511 als jüngste Tochter von Mogens Gøye (1480?-1544) und Mette Bydelsbak geboren. Ihr Vater war der reichste und mächtigste Gutsbesitzer Dänemarks, teilweise durch eigene Erbschaft, teilweise durch die Erbschaft seiner Frau und teilweise durch eigenen Ankauf.  Er vertrat den König Christian II (1513-1523) bei dessen Hochzeit in Brüssel 1514 mit der Tochter Kaiser Maximilians, Isabella von Habsburg, auf Dänisch Elisabeth genannt. Er war Oberbefehlshaber der Streitkräfte unter Christian II. Trotz sein schlechtes Verhältnisses zur Beraterin des Königs, Mutter Sigbrit, die ihn als den „König Nordjutlands“ bezeichnete, hielt er länger als viele seiner Standesgenossen Christian II die Treue, bis er dem neuen König, Frederik I, huldigte. Dieser bedankte sich, indem er Mogens Gøye zum Reichshofmeister ernannte, eine Position, die der des späteren Reichskanzlers entsprach. In dieser Position war er mit der Administration als auch mit der Aufsicht der Finanzen des Königreiches betreut. In den 1520ern wurde Mogens Gøye Lutheraner. Sein Kaplan war ein junger Däne namens Peder Thomsen, der 1523 in Wittenberg immatrikuliert gewesen war. Er hat wohl Mogens Gøye und seiner Familie die neue Lehre gepredigt. Niels Hemmingsen lobte Gøye in seiner Leichenpredigt 1574 für Birgitte Gøye als „Beschützer des Wortes Gottes und Beschützer der Diener des Wortes Gottes, als auch Widersacher derer, die damals die reine Evangelische Lehre hier in Dänemark verhindern wollten“ (Wad I, XXIX). Mogens Gøye unterstützte nach Kräften die Königswahl des lutherischen Sohnes von König Frederik I, Herzog Christian, der 1536 als Christian III die Reformation in Dänemark einführte.

Kurz nach der Geburt von Birgitte starb ihre Mutter. Sie wurde in Ring Kloster erzogen, bis ihr Vater erneut heiratete, dann holte er sie nach Hause. Er war damals königlicher Lehnsmann auf Skanderborg Schloss in Jutland, in dessen Nähe Ring Kloster lag. Eine Nonne wurde als ihre Erzieherin eingestellt. 1525, als Birgitte 14 Jahre alt war, wurde sie mit dem adligen Gutsbesitzer Jesper Daa verlobt. Aus für uns nicht nachvollziehbarem Grund wollte sie ihn nicht heiraten. Ihre Stiefmutter, Margrethe Sture, zwang sie, sich mit der Verlobung abzufinden, aber nach derer Tod 1528 schrieb Birgitte an Jesper Daa, kündigte die Verlobung und schickte sein Verlobungsgeschenk zurück. Sie zog zu einer Schwester, Sophie Gøye, die mit Mogens Bille zu Svanholm auf Seeland verheiratet war. Nach derer Tod 1537 wohnte sie bei einer anderen Schwester, Eline Gøye, verheiratet mit Mauritz Olufsen Krognos. Eline Gøye hatte einen Sohn, Oluf Mauritzen Krognos, der mit Birgitte zeitlebens eng verbunden war.

Sie kann nicht lange bei Eline Gøye verweilt haben, denn die Königin Dorothea holte sie an den Hof. Zwischen den beiden gleichaltrigen Frauen entstand eine lange gute Freundschaft, die auch die Königstochter Anna, später mit dem Kurfürst August von Sachsen vermählt, mit einschloss. Der lutherische Glaube verband die drei Damen. Da die Verlobung, trotz der Kündigung Brigittes, immer noch rechtskräftig war und keine der Parteien heiraten durften, ließ der König die theologische Fakultät der Universität Kopenhagens entscheiden, ob eine solche Verlobung, die eingegangen war als die Frau noch sehr jung war, doch nicht aufzulösen sei. Dazu muss bemerkt werden, dass ein Mädchen mit 14 Jahren damals als heiratsfähig angesehen wurde, besonders in königlichen und hochadeligen Kreisen. An Jesper Daa war nichts auszusetzen, außer der Abneigung seiner Braut. Am Ende entschieden die Professoren, dass Birgitte nie ihre Zustimmung zur Ehe gegeben hatte, weshalb die Verlobung aufzulösen sei, und beide durften wieder heiraten. Nach katholischem, kanonischem Recht mussten beide Partner in die Ehe einwilligen und die Ehe musste vollzogen gewesen sein, um gültig zu sein. Jeanne d’Albret in Frankreich z.B. kam nach päpstlicher Urteil aus einer Ehe frei, weil es nie vollzogen worden war. Auch sie hatte ihre Zustimmung beharrlich verweigert, aber für Rom zählte der physische Nichtvollzug. Die Professoren in Kopenhagen, die nicht länger dem kanonischen Gesetz verpflichtet waren, begründeten ihre Urteil mit der fehlenden Einwilligung der Braut, und der König ermahnte alle Eltern, ihre Kinder nicht gegen deren Willen in Ehe zu geben. 1540 kam Birgitte Gøye aus der unerwünschten Verlobung frei.

Vermutlich am Hofe traf sie den fünf Jahre jüngeren Herluf Trolle (1516-1565). Er war der vierte Sohn einer Adelsfamilie aus Schonen, die damals zu Dänemark gehörte. Die älteren Brüder hatten die Güter der Familie unter sich aufgeteilt. Herluf Trolle erhielt stattdessen eine Ausbildung, die ihn 1536 nach Wittenberg führte. Dort konnte er Luther erleben, aber wichtiger blieb für ihn Melanchthon.

Wie sein späteres Leben zeigen sollte, machte vor Allem Melanchthons Pädagogik auf ihn Eindruck. Melanchthon förderte die Lateinschulen, um Jungen (keine Mädchen!) schriftliches und mündliches Latein beizubringen (vgl. Lausten 2010 & 2013). Wer Latein beherrschte, konnte in ganz Europa reisen und die gesamte wissenschaftliche Literatur stand ihm zu Verfügung. Wichtig waren auch die Texte, die verwendet wurden, die „Colloquien“ (= Gespräche) von Erasmus von Rotterdam und die Lehrbücher von Melanchthon selbst. Darüber hinaus die gesamte klassische Bildung, Geschichte, Philosophie und Poesie, und nicht zuletzt die Ethik (= Morallehre) von den römischen Tugenden.

Ungefähr zur selben Zeit studierten in Wittenberg zwei weitere Dänen, Peder Palladius, später Bischof von Seeland und Niels Hemmingsen/Hemingius, später Professor für Theologie an der Universität von Kopenhagen.

 Nach den Studien kam Herluf Trolle zum Hof in Dänemark, wo er eine militärische Ausbildung genoss. Damit war er für den Staatsdienst bestens ausgerüstet und erhielt ein Lehen in Schonen.

1544 heirateten Birgitte Gøye und Herluf Trolle, vermutlich mit Billigung des Königspaares, weil Herluf Trolle das wichtige Lehen in Helsingør zu der Zeit erhielt. Damals wurde dieses Schloss noch Krogen genannt, später erhielt es den Namen Kronborg. 1544 starb auch Mogens Gøye, dessen Verhältnis zu seiner willensstarken Tochter nicht in den Quellen thematisiert wird. Die väterliche Erbe an Birgitte war beträchtlich: einen Hof in Nordseeland, Græsiegård, mit noch einem zugehörigen Hof, Hillerødsholm. Darüber hinaus zwei Mühlen, 182 Bauernhöfe, und vier Höfe als Lehen. Das Lehen ihres Vaters, Ring Kloster, übernahm sie mit einem Pfand von 4000 Taler. Außerdem erbte sie das Haus in Kopenhagen, wo früher Sigbrit, die Beraterin Christians II,  gewohnt hatte. Herluf Trolle brachte „nur“ 30 Bauernhöfe mit in der Ehe, aber schien einen Vermögen besessen zu haben, denn er konnte 1547 dem König die Summe von 1000 Reichstaler ausleihen, gegen Pfand in das königliche Lehen Ring Kloster, die seine Frau schon besaß. Was ihnen in diesem Reichtum fehlte, war ein Herrenhaus –  sie wohnten zuerst auf Schloss Krogen. Diese Vermögensverhältnisse wurden später von großer Bedeutung im Leben der Birgitte, als sie und ihr Mann eine Schule gründeten (Briand de Crèvecoeur).

Im Jahr 1548 begleiteten beide die Prinzessin Anna  für ihre Vermählung nach Sachsen. Dort lernten sie unter anderem die sogenannten Fürstenschulen in Meißen, Grimma und Schulpforta kennen, die Moritz von Sachsen gegründet hatten. Hier wurden die pädagogische Ansätze Melanchthons in der Praxis umgesetzt.

1554 hörte Herluf Trolle als Lehnsmann auf Krogen auf. Er und Birgitte Gøye fingen an, ihren Hof Hillerødsholm mit einer standesgemäßen Wohnung zu versehen. Im Jahr 1557 wurde Herluf Trolle Lehnsmann in Roskilde, so dass davon auszugehen ist, dass beide nicht auf Hillerødsholm gewohnt haben. Im selben Jahr wurde Herluf Trolle im Reichsrat berufen und im folgenden Jahr kontrollierte er, ob die Kirchengüter nach der Reformation alle vollständig in königlichen Besitz übergegangen waren. Damit wurden nämlich die Pastoren auf dem Land entlohnt, denn sie lebten von ihren Höfen. Niels Hemmingsen lobte in der Grabrede für Trolle sein Engagement für die Kirche, der er geholfen hatte, sich ökonomisch abzusichern. 1559 starb König Christian III, und Friedrich II, sein Sohn und Nachfolger, ernannte Herluf Trolle zum Admiral.

Im folgenden Jahr schlug der junge König seinem Admiral einen Gütertausch vor: Herluf Trolle sollte die Güter seiner Frau, die im Nordseeland lagen, mit Skovkloster bei Næstved umtauschen. Der König wünschte sich zusammenhängende Ländereien in Nordseeland und die Möglichkeit, dort in den ausgedehnten Wäldern zu jagen. Skovkloster (=Waldkloster), ein 1135 gegründetes Benediktinerkloster, war nach der Reformation im Besitz des Königs gelangt. In Hillerødsholm baute der König das vorhandene Haus zu einem Schloss um, das jetzige Schloss Frederiksborg.

In Skovkloster, das sie Herlufsholm nannten, fassten Herluf Trolle und Birgitte Gøye einen kühnen Plan: sie wollten eine Schule für junge Adlige sowie die Söhne anderer Bürger gründen. In Sachsen hatten sie gesehen, wie eine solche Schule aussehen konnte. Es sollte eine Lateinschule sein, die die jungen Menschen sowohl für die Kirche als auch für den Staatsdienst vorbereiten sollte. Sie hatten keine Kinder und ihre Verwandtschaft war außerordentlich wohlhabend, so dass sie ihr Gut verschenken konnten.

1562 brach der siebenjährige Krieg zwischen Dänemark und Schweden aus. Herluf Trolle als Admiral der Flotte hatte die Aufgabe, die dänische Vorherrschaft im Ostseeraum aufrechtzuerhalten. Dänemark besaß damals nicht nur das jetzige Südschweden, nämlich Schonen, Halland und Blekinge, sondern auch die Inseln Gotland und Ösel – und besitzt immer noch Bornholm.

Trotz Trolles vielfältigen Aufgaben als Admiral gingen die Schulpläne voran. Den 23. Mai 1565 wurde die Gründungsurkunde unterschrieben, und am 26. Mai wurde sie vom König bestätigt. Kurz danach, am 4. Juni, wurde Herluf Trolle in einem Seeschlacht verwundet und starb am 25. Juni.

Seine letzten Gedanken galten der Schule. So hat es Niels Hemmingsen in seiner Leichenpredigt geschildert. 1565 arbeitete dieser mit in einer Kommission, die die Lehrpläne für Herlufsholm aufstellte. Damit konnte Niels Hemmingsen die Pädagogik Melanchthons in Dänemark einführen.

Birgitte Gøye leitete die Schule in den ersten Jahren nach dem Tod ihres Mannes. Vor allem galt es, diese finanziell abzusichern. Ihre engsten Verwandten, ihr Halbbruder Christopher Gøye und ihre Halbschwester Hedwig verzichteten schriftlich auf ihr Erbe. Sie selbst übertrug 1567 die Schulleitung zum Reichsrat, und verzichtete auf alle Einkünfte sowie Wohn- und Nießrecht in Herlufsholm. Sie schenkte der Schule ihre Bibliothek mit Werken von Luther und Melanchthon, einige Bücher des Letzteren waren Herluf Trolle gewidmet – sie sind immer noch der Stolz der Schule. Sie stickte einen Altarvorhang bestückt mit ihren Juwelen und verließ Herlufsholm, um sich auf ihr Lehen Ring Kloster, wo sie aufgewachsen war, niederzulassen.

 

(Zum Foto: Herluftsholm; Copyright: Herlufsholm Skole og Gods)

Dort sollte sie allerdings nicht zur Ruhe kommen. 1571 zog der König das Lehen ein, weil er nach dem Krieg in Geldnot war. Ihre Gönnerin und Freundin, die verwitwete Königin Dorothea, bot ihr aus ihrem Wittum ein anderes Lehen, Schloss Aakjær bei Aarhus, an. Aber auch dieses Angebot war nicht von langer Dauer, im Herbst desselben Jahres starb Königin Dorothea auf Koldinghus, und Birgitte Gøye musste wieder umziehen. Ihre große Familie kam ihr zu Hilfe, und unter mehreren Angeboten wählte sie schließlich das ehemalige Dominikanerkloster in Næstved, in der Nähe von Herlufsholm. Dort verbrachte sie ihre letzten Jahre.

Sie mag zwar kein Herrenhaus besitzt haben, denn Herlufsholm hatte sie ohne auf ihr Wohnrecht zu bestehen verschenkt, aber sie war auch ohne dieses Gut sehr wohlhabend. Sie besaß immer noch das Haus in Kopenhagen, wo ihr Gatte gestorben war, und hatte reichlich Einkünfte. In der Kirche von Herlufsholm ließ sie ein prachtvolles Grabmal für ihren Mann und sich selbst aufstellen, gehauen in schwarzem Marmor und Alabaster, gebaut vom holländischem Bildhauer Cornelis Floris, der auch das Grabmal von Christian III in Roskilde ausgeführt hatte. Sie und Herluf Trolle ruhen in einem Gewölbe unter dem Kirchenflur. Niels Hemmingsen, Professor an der Universität Kopenhagen und seinerzeit der berühmteste Theologe Dänemarks von internationaler Rang – auch er ein Melanchthonschüler – hielt sowohl für Herluf Trolle als auch für sie die Grabrede. Diese beiden Leichenpredigten sind die wesentlichen Quellen, die ihr Leben und ihre Frömmigkeit darstellen, denn Hemmingsen war ihr vertrauter Freund.

In ihren letzten Jahren musste sie leider erleben, dass die Schule von ihren Verwandten bedroht wurde. Dank ihres Erbe war Herlufsholm finanziell abgesichert. Sie hatte zwar ihre einzigen verbliebenen Halbgeschwister mit ihren Unterschriften zu einem Verzicht auf das Erbe von ihr gebracht, aber Herlufsholm war wohl zu schön, um es einfach aufzugeben. Ihr Bruder Christopher Gøye und der Mann ihrer Nichte (die Tochter ihrer Halbschwester Hedwig), strengten deshalb eine Klage an, weil sie behaupteten, Birgitte Gøye hatte noch Teil an Herlufsholm. Zuerst unterlagen sie vor dem Gericht. Kurz danach starb Birgitte Gøye nach längerer Krankheit, aber sicher in der Annahme, die Schule sei gerettet.

Der Mann der Nichte, Jørgen Marsvin, gab jedoch nicht auf. Er gewann in der nächsten Instanz, scheiterte aber in der letzten, vor dem Reichsrat. Dort gelang es dem Rektor der Schule einen Brief mit dem absoluten Verzicht auf Herlufsholm, geschrieben und unterzeichnet von Birgitte Gøye, vorzulegen. Kurz danach entstand die Mär, wie die verstorbene Birgitte Gøye dem Rektor das Versteck dieses Briefes in einem Traum gezeigt habe. Wie dem auch sei, die Schule war fortan finanziell abgesichert und besteht  noch heute als Internat.

Wirkungsbereich

Zwei Wirkungsbereiche lassen sich für Birgitte Gøye ausmachen: ihr Wirken als Ehefrau von Herluf Trolle und ihre Möglichkeit, ihr Erbe zu verwalten.

Ihre Ehe mit Herluf Trolle schien sehr glücklich gewesen zu sein. Seine Briefe an sie sind sehr liebevoll, auch wenn sie von Alltagsbegebenheiten wie Ochsen oder Einkäufen handeln. Der tiefe Glaube vereinten sie beiden. Nur an sie, nicht an seine übrigen Korrespondenten, fügt Trolle immer kleine Gebete und Segenswünsche für sie an jedem Brief, egal wie alltäglich der Inhalt des Briefes ansonsten ist. Niels Hemmingsen hat in den beiden Grabreden eindrucksvoll geschildert, wie sie einen christlichen Haushalt geführt haben mit täglichem Gebet und Bibellesungen. Die Lesungen vor und nach der Mahlzeit machten es möglich, die ganze Bibel mehrfach zu hören. Kurz vor ihrem Tod hatten sie gerade das letzte Kapitel gehört und sie sagte dem jungen Vorleser: „Michel, jetzt ist unsere Bibel wieder zu Ende, Gott weiß, wer damit wieder anfangen soll“ (Wad I, xxxv). Da sie einen großen Haushalt führte, mit vielen jungen Frauen, die bei ihr erzogen wurden, hatte diese Lebensart Breitenwirkung. In einem Brief lässt der Pastor auf Herlufsholm sieben (!) junge Frauen grüßen und so sah ihr Haushalt wohl am meisten aus.

Herluf Trolle mag in Wittenberg und Leipzig einen guten Eindruck vom Schulwesen gehabt haben, und die Notwendigkeit, die dänische Kirche mit gut ausgebildete Pastoren zu versorgen, erkannt, aber er hatte niemals die Möglichkeit gehabt, ohne seine reiche Frau eine Schule zu gründen. Als ein mittlere Instanz den Urteil gefällt hatte, er könne über sein eigenes Erbe verfügen, aber nicht über das Erbe seiner Frau, war die Schule ihrer Grundlage entzogen worden. Birgitte Gøye ließ sich ihrerseits auf einen Streit mit ihrer Verwandtschaft ein, um die Schule zu bewahren. Aus zahlreichen Briefen sieht man ihre vielfältigen Kontakte zur Familie. Vielleicht waren Erbstreitigkeiten auch üblich, die Gutsbesitzer klebten an ihrer Scholle und wollten ihre Besitzungen stetig mehren.

Sie und Herluf Trolle beschenkten auch Schulen in Helsingør und Roskilde, als Trolle dort Lehnsmann war, und viele Jahre nach seinem Tod gab Birgitte Gøye einen größeren Betrag an die Schule in Helsingør.

Sie war fähig, Güter vollständig und großzügig zu verschenken. Hätte sie das nicht getan, wären die Prozesse um ihren Nachlass sicher anders verlaufen. Sie setzte ihren großen Reichtum ein, wie sie es für gut fand, ohne davon gebunden zu sein.

Reformatorische Impulse

Im Mittelalter hatten die Frauen zwei Möglichkeiten: Ehe oder Kloster, auch wenn meistens die Familie die Entscheidungen für sie traf. Als die lutherische Birgitte Gøye die Ehe mit Jesper Daa ablehnte, wurde sie eine unverheiratete Frau mit der einzig möglichen Option, im Haushalt ihrer Schwestern zu leben. Es mag sein, dass das Kloster- oder Eheleben nicht immer angenehm sei, das Leben als unverheiratete Tante bei den verheirateten Schwestern war jedoch ebenso selten leicht. Dennoch zog Brigitte Gøye es vor und wurde so die erste unverheiratete Frau der Reformationszeit.

Ihre glückliche Ehe mit Herluf Trolle und die Möglichkeit, eine christliche Haushalt zu führen, mag befriedigend gewesen sein. Aber ihre pädagogische Engagement, sowohl bei den jungen Frauen in ihrem Haushalt als auch in der Ausbildung junger Männer scheint ihre eigentliche Lebensaufgabe gewesen zu sein.

Die Reformation legte großen Wert auf Bildung, sowohl in den Grund- als auch in den höheren Schulen. Das erste Ziel war, die Kinder zu befähigen, die Bibel und den Katechismus zu lesen. Das nächste war, auf weiterführenden Schulen den Knaben Latein beizubringen, die internationale Sprache der Wissenschaft. Herluf Trolle sprach auf seinem Todeslager Latein mit Niels Hemmingsen, da er nicht wollte, dass seine Frau verstehen sollte, dass er sich auf seinen bevorstehenden Tod vorbereitete. Im Haushalt von Birgitte Gøye als Witwe war es die Jungen, die die Bibel vorlasen. Die Mädchen in Dänemark schienen eine eher praktische Bildung genossen zu haben, selbst in den höchsten Kreisen. Dennoch war das tägliche Zuhören der Bibel sicher für sie bereichernd.

Kommentar

Birgitte Gøye war eine außergewöhnliche Frau, indem sie selbstbestimmt lebte, ihre Zeit bei weitem voraus. Sie entschied, wen sie heiraten möchte, und wie sie ihren Reichtum nutzen wollte. Eine solche Unabhängigkeit erforderte großen Mut.

Das Internat Herlufsholm hat ihr ein ehrendes Andenken bewahrt. Die Jungen – und jetzt auch Mädchen! - tragen ihr Wappen, drei silberne Jakobsmuscheln auf blauen Grund, auf ihren Jackets.

Die Literatur, die im nächsten Abschnitt angeführt wird, ist von der Schule ausgegeben und unterstützt worden. Deshalb wissen wir mehr über diese eigenartige Frau und ihren Gatten, als es in diesem Jahrhundert sonst üblich ist. 

Zum Weiterlesen

Quellen:

Hemmingsen, N.: En kaart Beretning om…salige Frau Biritte Gøyes affkomst, opdragelse, leffnet og endeligt. Disligeste En Predicken om it Christeligt leffnet, faaregiffuet vdi samme Fru Biritte Gøyes Begraffuelse, aff Niels Hemmingsen, København 1574, online in Early European Books

Literatur:

Billeskov Jansen, F.J./Fink, P./Schedern, H. D.: Humanitas christiana, Mindetaler over Herluf Trolle af Niels Hemmingsen og Christian Machabæus, København 1990.

Briand de Crèvecoeur, E.: Herluf Trolle, Kongens Admiral og Herlufsholm Skoles Stifter, København 1959.

Helms, H.J.: Oversigt over Skovklosters og Herlufsholms Historie in: Skovkloster – Herlufsholm 1135 – 1935, København 1935.

Lausten, M. S.: Philipp Melanchthon, Humanist og luthersk reformator i Tyskland og Danmark, København 2010.

Lausten, M. S.: Niels Hemmingsen, Storhed og fald, København 2013.

Liliefalk, A.: Herluf Trolle og Birgitte Gjøe, København 1910.

Nielsen, M.: Jeanne d´Albret, Königin der Hugenotten, in: reformiert-info.de

Wad, G. L.: Breve til og fra Herluf Trolle og Birgitte Gjøe, 2 Bd., København 1893.