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Jane Grey

Königin und Märtyrerin

Ein Beitrag von Merete Nielsen

Jane Grey

Lebensdaten:

1537 - 1554

Unter weiteren Namen bekannt als:

Jane Dudley, Jane, Königin von England, Frankreich und Irland

GND: 118718800


Beziehungen

Lady Jane Grey war nur ein bis zwei Wochen Königin von England, ihren späteren Ruhm erwarb sie wegen ihrer Hinrichtung durch Maria Tudor. Die Protestanten stilisierten sie nach ihrem Tod zu einer Heldin, eine Glaubenszeugin, die erste der vielen Märtyrer, die unter Maria Tudor den Tod erlitten. Spätere Generationen sahen in ihr ein Unschuldslamm, das auf ungerechte Weise „geopfert“ wurde. Besonders im ausgehendem 18. und im 19. Jahrhundert wurde die Erinnerung an sie romantisch verklärt.

Lady Jane Grey wurde 1537 geboren als erste Tochter von Frances Grey, geborene Brandon, ihrerseits Tochter der jüngere Schwester Heinrichs VIII, und von Henry Grey, marquess von Dorset. Durch ihre Mutter war sie von königlichem Geblüt und in der Erbfolge der Thron von England. Bekanntlich hatte Heinrich VIII (Regierungszeit 1509-1547) im Versuch, einen männlichen Thronerben zu bekommen, durch Gesetz seine beide Töchter für unehelich erklärt. 1544 hatte er beide, ohne sie zu legitimieren, als Thronfolgerinnen nach seinem Sohn Edward (Regierungszeit 1547-1553) eingesetzt und nach ihnen seine Nichte Frances Grey und ihre Töchter als Erben benannt. Damit hatte er die Nachkommen der älteren Schwester Margaret, die Stuarts von Schottland, enterbt, weil sie nicht länger Engländer waren. Dieses Konzept wurde vom Parlament als Gesetz beschlossen, obwohl die ganze Gesellschaftsordnung uneheliche Kinder als Erben nicht anerkannte. Als König setzte sich Heinrich schlicht darüber hinweg, mit tragischen Folgen für die drei Töchter der Familie Grey.

Henry Grey, Marquess of Dorset, war als ein überzeugter Protestant bekannt. Die in Folge des Schmalkaldischen Kriegs nach England geflüchteten Protestanten umwarben die Glaubensgenossen des Hochadels. So schrieb Martin Bucer, Flüchtling aus Straßburg und Professor in Cambridge, Henry Grey Briefe. Dorset ließ junge begabte Männer auf seinen Kosten in Cambridge ausbilden und lud sie später zu sich als Hauslehrer seiner Töchter ein. So wurde Jane schon in jungen Jahren von den besten Humanisten erzogen. Auch Heinrich Bullinger aus Zürich knüpfte Verbindungen nach England, welches unter Edward günstige Bedingungen für Protestanten bot. Sowohl Bucer (mit „De regno Christi“) als auch  Bullinger (mit Band drei und vier der Dekaden, eine Predigtsammlung – auf Deutsch auch Bullingers Hausbuch genannt) widmeten dem König ihre Bücher. In Anerkennung von Dorsets protestantischer Gesinnung widmete Bullinger ihm das fünfte Band der Dekaden. Nicht nur Henry Dorset, sondern auch Jane geriet dabei ins Visier Bullingers. Ihre Erziehung wurde nicht nur von ihrem Hauslehrer John Aylmer betreut, sondern auch in frühen Jahren von Bucer und nach seinem Tod 1551 von Bullinger. Jane schrieb ihm im formvollendeten Latein mehrere Briefe, auf die er ihr antwortete. Aylmer bat um Bullingers Eingreifen in Fragen nach der angemessenen Dauer des Musikunterrichts und ob sie schlichte Kleidung tragen sollte. Angeblich hatte das junge Mädchen die elegante, kostbare Hofkleidung schön gefunden, und der besorgte Aylmer meinte, ein Brief von Bullinger würde Wunder wirken. Tatsächlich schrieb Aylmer später in einem anderen Zusammenhang, dass Jane von Mary Tudor ein kostbares Kleid geschenkt bekommen habe, sich aber weigerte, es zu tragen, weil sie lieber wie Elizabeth Tudor in protestantischer Art schlicht gekleidet sein wollte.

Nicht nur Bullinger, sondern auch Theodor Bibliander (1509-1564) und Konrad Pelikan (1478-1556), beide Professoren für Hebräisch und Altes Testament in Zürich, wurden um Hilfe bei Janes Hebräischunterricht gebeten. Insofern war ihre Ausbildung fest verankert mit der protestantischen Ausbildungsstätte in Zürich. Pelikan wurde aufgefordert, ihr seine Talmud-Übersetzung zu widmen, und er war über ihre Fortschritte im Hebräischen begeistert.

Griechisch kam auch nicht zu kurz: Jane bekam eine lateinische Übersetzung von Bullingers Buch über die Ehe (entwe„Volkomene underrichtung dess Christlichen Eestands, wie er möge und sölle in allen stucken mit Gott, nutz err und freud, geschicktlich volfürt werden“, 1525, oder die lateinische Übersetzung: „Symbolum suavis et probae matris familias“, vgl. Selderhuis: 61) und übersetzte es ins Griechische! Selbstverständlich las sie das Neue Testament in der griechischen Originalsprache. Die Ausgabe, die sie bei sich im Tower hatte, schenkte sie vor ihrem Tod ihrer Schwester Catherine.

Außerdem lernte sie moderne Sprachen wie Italienisch und Französisch.

Der berühmte Humanist Roger Ascham, der der Hauslehrer Elizabeth Tudors war, kam eines Tages zu Besuch und fand Jane versunken in dem platonischen Dialog „Phaidon“ – natürlich in der Originalsprache. Die übrige Familie war zur Jagd im Park ausgeritten, und er fragte sie, warum sie lieber mit ihrem Buch saß. Sie antwortete, dass ihre Eltern so streng waren und dass sie ihnen nichts recht machen konnte, während ihr Hauslehrer, Aylmer, gütig und lobend mit ihr umging. Dieser Bericht ist als Beleg für die Grausamkeit ihrer Eltern gedeutet worden. Ascham war ein Verfechter einer Pädagogik der Milde – deshalb hat er zwanzig Jahre später in seinem Werk „Der Lehrer“ („The Schoolmaster“) Janes Beispiel erwähnt. Janes Eltern waren um ihre Ausbildung sehr bemüht, und ihr Benehmen und Auftreten wurde ihr wahrscheinlich mit den damals üblichen drakonischen Maßregelungen beigebracht.

Jane wurde nämlich für eine herausragende Position in der englischen Gesellschaft erzogen, was auch den Theologen in Zürich klar war. Schon 1548 wollte Thomas Seymour sie als sein Mündel und war auch bereit, dafür zu zahlen. Sein Angebot, Jane mit dem gleichaltrigen König, Edward VI, zu vermählen, war sein eigentliches Lockmittel. Jane lebte bei der Königin Catherine Parr, erst in Chelsea, dann auf Schloss Sudeley, bis Catherine starb. Jane führte den Trauerzug der Königin. Danach kehrte sie zu ihren Eltern zurück, aber bald warb Thomas Seymour noch einmal um sie, und sie wohnte ein paar Monate in seinem Haus, bevor er wegen Hochverrats verklagt wurde.

Es wurde besprochen unter den Eltern, Jane mit dem Sohn des Edward Seymour, Herzog von Somerset, zu verloben, was fast so gut wie eine königliche Ehe gewesen wäre, bis zum Sturz und Hinrichtung des Edward Seymour 1551. Edward VI sollte eine französische Prinzessin heiraten, so er kam nicht länger in Frage als Gatte für Jane. Sie kehrte zurück zum Landbesitz ihrer Eltern.

John Dudley, Lord Lisle, später Herzog von Northumberland, übernahm 1551 die Regierungsgeschäfte, nachdem er den Herzog von Somerset entmachtet hatte. Weil er einen straffen Sparkurs einschlug, war er in der Bevölkerung sehr unbeliebt; Somerset galt als „der gute Herzog“, während Northumberland entsprechend „der böse Herzog“ war. Mit Edward kam er jedoch sehr gut klar und ließ ihn mehr und mehr die Regierungsgeschäfte leiten, obwohl er selbst die eigentliche Macht behielt.

1553 erkrankte Edward an einer Lungenkrankheit – entweder Tuberkulose oder Lungenentzündung. Als sein gesundheitlicher Zustand sich stetig verschlechterte, begann er sich um die Erbfolge Gedanken zu machen. Wie sein Vater hätte er am liebsten einen männlichen Thronfolger eingesetzt. Seine beiden Schwestern waren laut dem Gesetz immer noch unehelich, und Mary war entschieden katholisch. Außerdem bestand der Gefahr, dass sie Ausländer heiraten könnten. Die Engländer würden sich nie mit einem ausländischen König abfinden, so wie auch die Stuarts als Ausländer für Edward nicht in Frage kamen. Übrig blieben Lady Frances Grey, ihre Töchter und eine Cousine. Edward überlegte sich, wie am schnellsten ein männlicher Erbe das Licht der Welt erblicken konnte, und im Mai heirateten Jane Grey und ihre Schwester Catherine. Jane heiratete Guildford Dudley, den Sohn des Herzogs von Northumberland, und Catherine ehelichte Lord Herbert, den Sohn des Earl von Pembroke. Die jüngste Grey-Tochter, Mary, wurde mit Lord Grey von Wilton verlobt. Außerdem heiratete die Tochter Northumberlands Lord Hastings, dessen Vater, der Earl von Huntingdon, von königlichem Geblüt war. Damit hatten die Thronanwärterinnen englische Gatten und man konnte auf männliche Erben hoffen (vgl. Starkey). Die Lady Frances wurde, da sie wohl keinen Sohn mehr in die Welt setzen würde, höchstens als Regentin vorgesehen.

Bald war es leider für alle, Edward inklusive, klar, dass man nicht die Zeit hatte, auf männlichen Erben aus diesen Ehen zu warten. Folglich änderte Edward in Juni 1553 seinen letzten Willen und Testament dahingehend, dass Lady Jane seine Erbin werden sollte. Mit dem Dudley Clan im Hintergrund und als absolut legitimer Sproß des Königs Heinrichs VII war sie in einer starken Position (vgl. Ives). Hinzu kam ihre protestantische Gesinnung. Am 6. Juli 1553 starb Edward.

Zu ihrer große Überraschung wurde die nichtsahnende Lady Jane Grey als Königin gehuldigt. Vor ihrer Krönung wohnte sie, wie alle englischen Monarchen, in Tower von London. Maria Tudor ließ sofort den Kronrat wissen, dass sie die rechtmäßige Erbin nach dem Willen ihres Vaters war. Alle – auch die kaiserlichen Botschafter – waren der Ansicht, sie hätte gegen Northumberland keine Chance, aber Maria, die sonst ihrem Vater gegenüber klein beigab, zeigte diesmal, was in ihr steckte. Sie flüchtete nach Schloss Framlingham und bat ihre Untertanen, sie zu unterstützen. Entscheidend war, dass Kriegsschiffe, die ihre Flucht in die Niederlanden verhindern sollte, stattdessen zu ihr übertraten.

Der Kronrat ließ Northumberland ausrücken, um Maria zu schlagen, aber er gab auf, als es ihm klar wurde, dass er Framlingham nicht erobern konnte, während der übrige in London zurückgebliebene Kronrat den Tower verließ, um zu Hause beim Earl von Pembroke im Schloss Baynard Maria zu huldigen. Jane Grey blieb allein im Tower zurück, während ihre Ratsherren schleunigst zu Maria übertraten. Schon am 19. Juli 1553 wurde Maria in London jubelnd empfangen. Jane Grey war jetzt ihre Gefangene.

Historisch gesehen bleiben offene Fragen, warum dieser Umschwung so schnell passieren konnte. Die Rolle Northumberlands ist ausgiebig diskutiert worden. Für Ives und Starkey ist es sicher, dass Edward VI seine Cousine zu Königin machte. Aber er war sehr jung und unmündig, und Northumberland führte noch die Regierung. Ives betont, Jane sei zweifelsohne die legitime Erbin und die uneheliche Maria die Rebellin. Loades (1996) und Ives betonen die Loyalität Northumberlands dem König gegenüber. Die Zeitgenossen sahen das anders: Auch wenn Edward meinte, seine Nachfolgerin einsetzen zu können, war er noch nicht volljährig, und Northumberland war immer noch sein Statthalter. Deshalb meinte man, Northumberland habe finstere Absichten. Jane Grey war mit sechzehn Jahren jung und unbekannt, Guildford Dudley gerade achtzehn. Northumberland hätte wahrscheinlich weiterregieren können und müssen. Für die Bevölkerung war das unerwünscht: für sie war Maria nach dem Willen ihres Vaters die rechtmäßige Thronfolgerin.

Zwar hatte Heinrich VIII Maria für unehelich erklärt, aber ihre Zeitgenossen wussten, dass sie einer legitimen Ehe entstammte. Normalerweise wurden im Fall einer Scheidung oder Annullierung einer Ehe die Kinder als im guten Glauben (bona fide) gezeugt angesehen, die somit legitim und erbberechtigt waren. Nicht nur Katholiken, sondern auch Protestanten unterstützten deshalb Maria.

Nach ihrer Thronbesteigung hielt Maria Jane und Guildford Dudley im Tower gefangen, aber sie wusste sehr wohl, dass die beiden nicht aus eigenem Anlass nach dem Thron gegriffen hatten. Der Herzog von Northumberland wurde dagegen schon in August zum Tode verurteilt und hingerichtet. Northumberland, der sechzehn Jahre lang die Reformation unterstützt hatte, bekehrte sich im letzten Augenblick zum Katholizismus. Das machte für ihn selbst zwar keinen Unterschied, aber er mag gehofft haben, dass seine Familie glimpflich davonkommen konnte (vgl. Smith: 484f.). Seine älteren Söhne, die alle gefangen genommen waren, konnten nach einiger Zeit den Tower verlassen. Robert Dudley wurde später der Günstling Elizabeths.

Im November 1553 ließ Maria Jane, Guildford und Erzbischof Cranmer durch ein Gericht in London als Verräter zum Tode verurteilen. Sie blieben danach im Tower, in leichter Haft, und es ist gut möglich, dass sie dort hätten bleiben können. Aber schon im Herbst 1553 hatte Maria bekanntgegeben, dass sie ihren Vetter, Philipp von Spanien, den Sohn Kaisers Karl V, heiraten wollte. Sie, die anfänglich so populär gewesen war, bekam jetzt Probleme mit ihren Untertanen, die sich lieber einen englischen Gemahl wünschten. Unter Leitung von Thomas Wyatt sollten der Süden und die Mitte Englands sich gegen diese Ehe erheben. Die Aufrührer wehrten sich ausdrücklich nur gegen eine ausländische Ehe und wollten weder Maria stürzen, noch einer Religionsänderung herbeiführen, obwohl Maria schon damit angefangen hatte, den Katholizismus wieder einzuführen. Henry Grey, Janes Vater, unterstützte mit seinen Brüdern den Aufstand.

Der Aufstand wurde im Januar 1554 niedergeschlagen, die Brüder Grey gefangen genommen und in den Tower gesteckt, und dann drängte der kaiserliche Botschafter, der zum engsten Berater Marias aufgestiegen war, sie zur Hinrichtung von Jane und Guildford – ihr Vater und Onkel sollten auch hingerichtet werden, so wie Wyatt und die andere Aufrührern. Obwohl Jane nie von den Rebellen als Königin erwähnt worden war und gar nichts mit dem Aufstand zu tun hatte, wurden sie und Guildford am 12. Februar 1554 als schon verurteilte Verräter hingerichtet.

Wirkungsbereich

In ihrer Regierungszeit war Jane eher machtlos. Sie war erkoren von Edward VI, gehuldigt von den führenden Männern des Reiches, eine Königin, die auf dem Schachbrett der Politik nur als Bauer bewegt wurde. Im Tower setzte sie ihre Signatur auf mehrere Briefe. Sie hatte eine schöne Handschrift, und mit fester Hand schrieb sie „Jane the Quene“, aber die von ihr unterzeichneten Verordnungen und Befehle waren ohne jegliche Wirkung. Mathew hat angesichts dieser Vergeblichkeit ihre Intelligenz angezweifelt (vgl. Mathew: 144). M.E. gibt es keinen Grund, ihre Intelligenz abzuwerten, aber jung und unerfahren war sie. Die beste schulische Bildung ist im politischen Leben nicht viel wert, und Jane hatte einfach nicht die Zeit hinzuzulernen.

Als entmachtete Gefangene im Tower entfaltete sie hingegen ihr Potential. Vermutlich als sie von der Bekehrung des Herzogs von Northumberland hörte, war ihr klar, dass sie auf jeden Fall eine gute Protestantin bleiben wollte. Sie war bereit, Maria zu gestehen, dass sie nicht Königin hätte werden sollen. Sie betonte auch, dass sie es nie werden wollte. Als sie zur Königin ausgerufen worden war, hatte sie die Krone als den Ausdruck des Willens Gottes angenommen. War es dennoch nicht sein Wille, gab sie die Königskrone bereitwillig ab.

Ihren reformierten Glaube jedoch wollte sie auf keinen Fall aufgeben. Es existieren mehrere kurze Schriftstücke aus ihrer Hand, die sie in der Zeit vor ihrer Hinrichtung verfasste und die aus dem Tower wohl herausgeschmuggelt worden sind. Es gibt auch einen Chronik, die im Tower geschrieben worden ist von jemand, der sie dort getroffen hat, und es gibt einen Bericht von John Foxe, der auch aus ihren Schriften zitiert. Ein Gebet von Jane zeigt, dass sie bis zu dem Aufruhr von Wyatt doch hoffte, aus dem Tower lebend herauszukommen. Ihre Schriftstücke kurz vor ihrem Tod zeigen, dass sie die Hinrichtung als Glaubenszeugnis (lat. martyrium) gedeutet haben wollte. In Juli/August 1553 galt Maria als die rechte Erbfolgerin, und da erkannte Jane den Thronanspruch Marias an. In Februar 1554 ging es um konfessionelle Gesinnung gegenüber einer Königin, die schon dabei war, den Katholizismus wieder herzustellen, und in diesem Zusammenhang war es für Jane Grey wichtig, für ihre Religion zu sterben.

Schon im März 1554 übersetzten Glaubensgenossen ihre kleinen Schriftstücke sowie ihre Ansprache vom Schafott und sandten sie nach Zürich zu Bullinger. Er wollte sie vorsichtshalber nicht herausgeben, aber in England erschienen 1554 zwei kleine Bücher: „An Epistle of the Ladye Jane, a righte vertuous woman“ und „Here in this Booke ye have a godly Epistle“. Schon 1563 wurde sie als die erste Märtyrerin unter Maria von John Foxe in seinem Werk „Acts and Monuments“ geschildert.

Mit ihrem Tod setzte das eigentliche Wirken von Lady Jane Grey ein, nämlich über ihre Wirkungsgeschichte als protestantische Märtyrerin. Um ihrem Tod einen Sinn zu geben, sorgte sie dafür, ihren Glauben zu dokumentieren.

Als in der nachfolgenden Zeit die Religionsfrage in den Hintergrund trat, war es vor allem ihre Jugend und Unschuld, die die Gemüter bewegte. Der Höhepunkt kam im 19. Jahrhundert. Zu diesem Zeitpunkt war Lady Jane Grey nicht länger die intelligente junge Frau, die Glaubensheldin, sondern das Unschuldslamm.

(Zum Bild: Das Bildnis von Delaroche [1797-1856] inszeniert durch die künstlerische Komposition die Unschuld von Lady Jane Grey bei ihrer Hinrichtung; Copyright: Wikimedia Commons mit dem Link: http://www.fak09.uni-muenchen.de/Kunstgeschichte/sds_malerei/frz_malerei/41-dt-franz-malerei/studieneinheiten/1830_1848_f/5a/gruppe_2/b.htm] {{PD-art}})

Reformatorische Impulse

Dank ihrer verschiedenen Mentoren – hierzu zählen auch Bucer und Bullinger – war Jane Grey nicht nur Protestantin, sondern bekannte sich zum reformierten Glauben. In dieser Hinsicht war sie Edward VI ähnlich, was sicherlich auch zu ihrer Einsetzung als Thronfolgerin beitrug. Sie neigte dazu, diesen Glauben auch öffentlich zu zeigen, indem sie nicht nur lernte, sich schlicht zu kleiden, sondern auch während eines Besuch bei Maria Tudor in ihrer Kapelle über den Gott, den der Bäcker buk – die Hostie auf dem Altar –, spottete.

Sie war empört über die Bekehrung des Herzogs von Northumberland und schwor, dass sie niemals so handeln würde.

Im Herbst 1553, als sie noch hoffte, zu überleben, schrieb sie ein bewegendes Gebet, in der sie um Geduld und Zuversicht bat. Nur in diesem Gebet bekommt man einen Eindruck von ihren Schwierigkeiten: „Oh barmherziger Gott, betrachte mein Elend, das du am besten kennst, und sei mir ein starker Turm der Verteidigung… Lass mich nicht über meine Kraft versucht werden, sondern entweder rette mich aus diesem Elend oder gib mir die Gnade, geduldig deine harte Hand und Strafe zu ertragen“ („O merciful God, consider my misery, best known unto thee; and be thou now unto me a strong tower of defence, I humbly require thee: Suffer me not to be tempted above my power, but either be thou a deliverer unto me out of this great misery, or else give me grace, patiently to bear thy heavy hand and sharp correction”) (zitiert bei Foxe: 423).

Ähnlich wie bei Northumberland regte sie sich über ihren alter Lehrer, Dr. Thomas Harding, der zu Katholizismus zurückgekehrt war, auf und sandte ihm einen sehr harschen Brief, nannte ihn Teufelsbrut („deformed imp of the Devil“) und Feigling („white-livered milksop“) (vgl. Ives: 22f.). Im 19. Jahrhundert war man überzeugt, dass die niedliche, unschuldige Jane Grey solches nie hätte schreiben können, aber dieser Brief war einer der Schriften, die sofort nach ihrem Tod bekannt wurde, weshalb es wahrscheinlich echt ist.

In einem Versuch, sie vor der Hinrichtung doch noch zu bekehren, sandte Maria Tudor ihr ihren eigenen Beichtvater, John Feckenham. Sie gewährte einen Aufschub der Hinrichtung für drei Tage, damit er Jane bekehren könne. Jane wollte keinen Aufschub, sie hatte sich auf dem Tod eingestellt, aber letztendlich musste sie der Königin gehorchen und diskutierte mit Feckenham über die Rechtfertigung durch Glauben (sola fide), und die Sakramente, vor allem das Abendmahl. Jane bestritt die Transsubstantiationslehre (= die Verwandlung des Brotes und Weines ins Fleisch und Blut Christi). Schließlich diskutierten sie die Lehre von der Kirche. Jane verneinte die Behauptung, die katholische Kirche sei die einzig wahre Kirche, und behauptete, Gottes Wort war die Richtschnur der Kirche, also gut reformatorisch: sola scriptura (vgl. Foxe: 415-417). Sie trennten sich mit der Feststellung, dass sie sich im Jenseits nie mehr begegnen würden. Beide schienen dennoch diese Diskussion genossen zu haben, schließlich begleitete Feckenham sie auf das Schafott. Während ihr Vater bei seiner Hinrichtung so erbost war, dass er den begleitenden Priester an die Gurgel sprang (vgl. de Lisle: 157), hatte Jane in Feckenham einen würdigen Gegner gefunden, mit dem sie ein Verhältnis auf gegenseitiger Hochachtung beruhend verband.

Ihrem Vater schrieb sie einen Abschiedsbrief und von ihrer Schwester Catherine nahm sie Abschied mit einem handschriftlichen Gruß in ihrem griechischen Neuen Testament. Sie versicherte Catherine, dass sie mit diesem Buch einen Schatz habe und lernen könne, wie man den Tod begegnen solle – auch in jungen Jahren. Ähnlich schrieb sie in ihrem Gebetsbuch und schenkte es dem Leutnant des Towers. Sie bezeichnete sich selbst als seine Freundin.

War Lady Jane Grey auch jung, in den Schriften aus dem Tower zeigte sie ihre menschliche Größe, ihre feste Überzeugung und ihren Charakter. Auf dem Schafott war es üblich, eine kurze Ansprache zu halten. Wichtig war, dass man seine Verurteilung annahm und nichts gegen den König/die Königin sagte. Jane Grey folgte diesem Muster, aber behauptete bis zum Schluss, dass sie nicht nach der Krone gestrebt habe. Während sie das betonte, wusch sie symbolisch ihre Hände in Unschuld vor den Zuschauern. Dann sagte sie, dass sie eine Sünderin sei, ihre Strafe von Gott entgegen nehme und auf seine Barmherzigkeit hoffe. Zum Schluss forderte sie die Zuschauer auf für sie zu beten, solange sie noch lebte – keine Gebete für den Toten, das wäre katholische Sitte! – und bat selbst zusammen mit Feckenham Ps. 51, sie – gut protestantisch – auf Englisch, und er – gut katholisch – auf Latein. Dann wurde sie enthauptet.

Kommentar

Lady Jane Grey war so puritanisch wie ihr Vetter Edward VI. Sie war, wie es von den Puritanern gesagt wurde, präzis („precise“). Ihre Diskussion mit Feckenham zeigt eine tüchtige Theologin. Wäre sie als Königin genau so doktrinär wie Maria Tudor gewesen? Vermutlich, aber ihr Dialog mit Feckenham deutete an, dass sie im Stande war, die Gesichtspunkte anderer – auch Andersgläubiger – anzuerkennen. In Edwards Regierungszeit hatte es keine Ketzerverbrennungen gegeben, und es ist möglich, dass auch Jane, ihrer protestantischen Überzeugungen zum Trotz, nicht zu solchen Maßnahmen gegriffen hätte. Nathalie Zemon Davis hat darauf aufmerksam gemacht, dass in Frankreich die Hugenotten dazu neigten, Dinge wie Bilder, Statuen und Reliquien zu zerstören, während die Katholiken eher Menschen angegriffen hatten – wohl auch, weil die Hugenotten materielle Sachen nicht für heilig hielten.

Dennoch hätten katholische Revolten und Bürgerkrieg durchaus ausbrechen können. Andererseits, mit Northumberland und seinen Söhne an ihrer Seite hätte sie eine durchsetzungsstarke und taktisch klug agierende Königin werden können. William Cecil war zu der Zeit Sekretär Northumberlands, später diente er sehr erfolgreich Elizabeth Tudor, und er hätte auch Jane Grey dienen können, wenn nicht Maria Tudor die Krone an sich gerissen hätte. Ganz London feierte ihren Einzug in der Hauptstadt. Als sie 1558 starb, hat kein Mensch um sie getrauert. Ihr fehlte das politische Gespür, dass Elizabeth in so hohem Maße besaß. Ob Jane es gehabt hätte – wer weiß?

Sicher ist, dass sie persönlich ein gewinnendes Wesen hatte. Ihre Lehrer waren von ihr begeistert, und im Tower machte sie einen tiefen Eindruck auf den Chronisten, der die „Chronicle of Queen Jane“ schrieb. Ihrem Gefängnisdirektor gegenüber bezeichnete sie sich als seine Freundin und ähnlich herzlich endete ihr Begegnung mit Feckenham. Sie war sehr schmal und so klein, dass sie bei ihrem Einzug in den Tower Schuhe mit Plateausohlen tragen musste, damit ihre Untertanen sie sehen konnten, aber sie hatte Geistesgröße und machte einen bleibenden Eindruck auf ihre Umgebung.

Zum Weiterlesen

H. Chapman: Lady Jane Grey, London 1962.

N. Z. Davis: Society and Culture in Early Modern France: Eight Essays, Stanford, Calif. 1975.

N. Z. Davis: The Rites of Violence: Religious Riot in Sixteenth Century France, in: Past and Present 59 (1973), 51-91 (online zugänglich unter: http://www.jstor.org/stable/650379).

M. Dowling: Humanism in the Age of Henry VIII, London 1986.

H. Ellis (Hrsg.): Original Letters, Illustrative of English History, London 1846.

G. R. Elton: Reform and Reformation: England, 1509-1558, Cambridge, Mass. 1977.

J. Foxe:  Acts and Monuments, Bd. 4, hrsg. v. Stephen Reed Cattley, London 1838.

Lady Jane Grey, Prison Writings (1553-1554) in: John N. King, Hrsg.: Voices of the English Reformation, A Sourcebook, Philadelphia 2004, 319-324.

E. Ives: Lady Jane Grey: A Tudor Mystery, Malden, MA/Oxford 2009.

D. J. Keep: Die Handschuhe  der Lady Jane Grey, in: Zwingliana 11 (1963), 663-668 (online zugänglich unter: http://www/zwingliana.ch/index.php/zwa/article/viewFile/1121/1031; Zugriff am 4.2.2015).

C. Levin: Lady Jane Grey: Protestant Queen and Martyr, in: M. Patterson Hannay (Hrsg.), Silent but for the Word, Kent, Oh. 1985, 92-106.

D. Loades: John Dudley: Duke of Northumberland 1504-1553, Oxford 1996.

D. Loades: The Chronicles of the Tudor Queens, Sutton 2002.

D. Mathew: Lady Jane Grey: The Setting of the Reign, London 1972.

J. K. McConica: English Humanists and Reformation Politics, Oxford 1965.

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J. G. Nichols (Hrsg.): The Chronicle of Queen Jane and of two Years of Queen Mary … written by a Resident of the Tower of London, London 1850.

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J. D. Taylor: Documents of Lady Jane Grey: Nine Days Queen of England, 1553, New York 2004.