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Rezension: Wenn Bilder sprechen können. Sibylle von Kleves Biografie im Spiegel ihrer Briefe.

Pünktlich zum 500-jährigen Geburtstag von Sibylle von Kleve hat die Historikerin Sylvia Weigelt 2012 ein handliches Buch unter dem Titel „Sibylle von Kleve. Cranachs schönes Modell“ veröffentlicht. Ausgehend von Cranachs berühmtem Gemälde aus dem Jahr 1526, das Sibylle von Kleve als jugendliche Braut zeigt, gelingt es Sylvia Weigelt eindringlich und lebensnah das Bildnis von Sibylle von Kleve zum Sprechen zu bringen.

Als Grundlage dienen der Autorin dazu besonders die 125 von Sibylle von Kleve erhaltenen Briefe an ihren Ehemann Johann Friedrich, Herzog zu Sachsen, die sie zwischen 1546 und 1553 verfasst hat. In neun Kapitel unterteilt wird in dem Buch von Weigelt der facettenreiche Lebensweg einer Adelsfrau aus der Zeit der Reformation nachgezeichnet. Ein Exkurs zu dem Maler Lucas Cranach d.Ä., Auszüge aus den Briefen Sibylles an ihren Ehemann Johann Friedrich dem I., Herzog zu Sachsen, sowie die Stammtafel von Sibylle von Kleve und Johann Friedrichs I. runden neben einer Zeittafel die Studie ab.

Im ersten Kapitel wird Sibylles fürstliche Familie und das sie prägende Umfeld bis zu ihrer Heirat im Jahr 1527 mit Johann Friedrich beleuchtet. Eine Ehe, die nach den feudalen Regeln der Macht arrangiert war und sich vordergründig allein politischen Interessen verdankte, aber dennoch als eine glückliche Ehe in die Annalen eingegangen ist. Sogar Martin Luther hielt es für nötig zu erwähnen, dass sein Kurfürst nicht nur fromm und sittsam verheiratet sei, sondern seine Gemahlin auch liebe. Im zweiten Kapitel wird die vierwöchige Brautreise der 14-jährigen Sibylle von Kleve nach Sachsen dargelegt, wobei immer wieder kleine detailreiche Informationen einfließen, die die zeitgeschichtlichen Begleitumstände einer adeligen Heirat unter den kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen der damaligen Zeit näher bringen. Das nächste Kapitel widmet sich dem Alltag Sibylles am kursächsischen Hof. Weigelt gelingt es, sehr plastisch den Alltag einer adeligen Frau nachzuzeichnen, der mit einer hohen gesellschaftlichen Rollenerwartung einhergeht und wenig Raum für eine freie Lebensgestaltung ließ. Auch hier sind es wieder kleine Details aus den Briefen Sibylles, die Weigelt einbringt, die dieses vorgeschriebene Rollenbild mit der Persönlichkeit Sibylle von Kleves spiegelt und den Leserinnen und Lesern näher bringt. Als Johann Friedrich, wie seine Frau ein vehementer Verfechter der protestantischen Bewegung, vom Kaiser Karl V. im Jahr 1547 gefangen genommen wurde, änderten sich die Lebensumstände Sibylles gravierend. Während gemeinhin die Geschichtsbetrachtung diese Gefangenschaft aus der Sicht der männliche Protagonisten in den Blick nimmt und die mit der Wittenberger Kapitulation vom 19. Mai 1547 einhergehenden Ereignisse und Fakten darstellt, wendet sich Sylvia Weigelt im nächsten Kapitel der Gefangenschaft Johann Friedrichs in ihrer Auswirkung auf das Leben Sibylle von Kleves zu. Obwohl Sibylle sich „flehentlich bittend“ an den Kaiser gewandt hatte und aus Sorge um ihren Mann sogar ernstlich erkrankt war, verbleibt ihr Mann in Gefangenschaft. Die Autorin zeichnet die Auswirkungen der geänderten Lebensumstände Sibylles minutiös nach: von ihrem Zorn, als sie erfährt, dass ihr alter Hofmeister sich auf die Seite des „Feindes“ Moritz zu Sachsens geschlagen hat und sie ihm wünscht, dass „ihn der Teufel hole“, bis zu den Schilderungen ihrer Einsamkeit, die sie in den fünfeinhalb Jahren ihrer Trennung von Johann Friedrich befällt.

Sibylle von Kleves Rolle als Mutter wird im fünften Kapitel beleuchtet: von den Auseinandersetzungen der Eheleute untereinander über die Erziehung der Söhne sowie auch ihre Sorge um ihren Sohn, der 1546 schwer verwundet wird im Schmalkaldischen Krieg. Das fürstliche Leben wird im sechsten Kapitele beleuchtet. Was am eindrücklichsten in Erinnerung bleibt, ist die bleibende Langeweile Sibylles während der Zeit der Trennung von ihrem Ehemann. Weder eine geschenkte Meerkatze noch ein Spinnrad konnten bleibend die Langeweile der Fürstin vertreiben. Die Gefühlswelt der adeligen Frau aus der Reformationszeit bringt Sylvia Weigelt den Leserinnen und Lesern im nächsten Kapitel näher. Auch hier lässt sie die Briefe sprechen, die Sibylle während der Zeit der Gefangenschaft an ihren Mann geschrieben hat. Es ist das einmalige schriftliche Zeugnis einer tiefen Verbundenheit der Eheleute, aber auch Einsamkeit, die Weigelt den Leserinnen und Lesern mit den Worten von Sibylle näherbringt: „Ich bin ebenso nur aus Fleisch und Blut wie jeder andere Mensch auch und würde mir auf dieser Welt nichts lieber wünschen, als dass ich bei Euch wäre ..., denn mein Herz verlangt so innig nach Euer Gnaden, wie E. G. Herz nach mir verlangt.“ Zum Zeitpunkt, als sie diesen Brief im Jahr 1549 schreibt, hat sie Johann Friedrich schon zwei Jahre lang nicht mehr gesehen.

Die Kapitel acht und neun nehmen ebenfalls die „Privatperson“ Sibylle von Kleve in den Blick. Während das achte Kapitel den Glauben von Sibylle zum Thema hat, widmet sich das neunte Kapitel dem Lebensende der Adeligen. Weigelt zeigt in beiden Kapitel auf, wie sowohl ihr Glaube als auch das Sterben von Sibylle von Kleve nie ganz im Privaten verbleiben, sondern immer auch von außen gedeutet und gesellschaftlich-politisch Bedeutungszuschreibungen implizieren.

Sylvia Weigelt nimmt in ihrem kenntnisreichen Buch die Leserinnen und Leser auf eine Reise in die Vergangenheit mit und versteht es, respektvoll und nicht vereinnahmend den Abstand dieser Vergangenheit lebensnah in Szene zu setzen, indem Weigelt die Briefe von Sibylle von Kleve sprechen lässt. So entsteht nicht einfach eine historiografische Biografie, sondern es wird vor dem Hintergrund des berühmten Bildnisses Cranachs Sibylle von Kleves Lebensweg selbst zum Sprechen gebracht. Während das Cranach-Porträt der Sibylle von Kleve als Braut als eines der anmutigsten Frauenbildnisse der Renaissance zu Weltruhm gelangte, ist Sibylle von Kleve in der Geschichtsschreibung lediglich als Frau an der Seite Johann Friedrichs I. bekannt. Es ist zu hoffen, dass sich dies mit der Studie von Sylvia Weigelt ändern wird.

 

Informationen zum Buch:

Sylvia Weigelt: Sibylle von Kleve. Cranachs schönes Modell, Weimar/Eisenach: Wartburg Verlag 2012, 92 Seiten, ISBN: 978-86160-254-5.